Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Geschichte zwischen Xaver Schmid und einer Norwegerin, die Irmi letztlich nach Alta geführt hatte.
»Du glaubst also, Runa Dalby ist die Enkelin dieses Xaver Schmid?«
»Ja, oder seine Urenkelin. Vieles spricht dafür, zumal Runa den Kontakt zu Ionella Adami bewusst herbeigeführt hat, um die Familie Schmid unter die Lupe zu nehmen. Warum sonst hätte sie das tun sollen?«
Er nickte bedächtig und schenkte sich Kaffee nach. »Wir waren mehrmals beim Haus der Dalbys und haben geklingelt und angerufen. Es hat aber nie jemand geöffnet, und nur einmal ist eine weibliche Person ans Telefon gegangen, die gleich wieder aufgelegt hat.«
»Meine Kollegin hat eine Nachbarin erwähnt, die Runa gesehen haben will.«
»Nun, die alte Matilde Larsson sieht so einiges. Darauf würde ich nicht allzu viel geben. Sie ist eine … wie sagt man? Tratschtante?«
Irmi lächelte. »Ja, solche Zeugen kennen wir auch. Mitteilsam bis zur Inhaltslosigkeit.«
»Muss ich mir merken«, sagte Aksel und lachte. »Ich stehe außerdem mit Tromsø in Kontakt. Die beiden Dalbys wurden von einem Forschungsschiff auf Nordaustlandet abgesetzt und heute von einem anderen Schiff wieder an Bord genommen, das auf dem Weg nach Tromsø ist. Die beiden müssten morgen hier sein. Wir haben ihnen am Telefon noch keine Details gesagt, nur, dass sie unbedingt zurückkommen müssen, weil ihrer Tochter etwas zugestoßen ist.«
»Das wird nicht schön. Wenn du so eine kryptische Nachricht bekommst, muss die Rückreise ja unerträglich sein. Furchtbar!«
»Ja, aber ich wollte auch nicht am Telefon vom Tod der einzigen Tochter sprechen.«
»Sicher.«
»Gut, dann lass uns noch mal zum Haus der Dalbys fahren. Sag mal, wo ist denn dein Bekannter?«
»Er wartet in einem Café in der Nähe auf mich.«
»Ich habe euch ein Zimmer im Thon Hotel Vica gebucht. Vielleicht mag er da schon einmal hinfahren. Ein Doppelzimmer ist doch in Ordnung, oder?«
War ein Doppelzimmer in Ordnung? »Natürlich«, sagte Irmi und informierte Jens per Handy. Im Hintergrund hörte sie eine Frau lachen.
»Stell dir vor, das Mädchen, das hier arbeitet, ist Russin. Aus Murmansk«, erzählte Jens begeistert. »Und sie kennt einen der Herren, mit denen ich zu tun hatte. Und der Spatz ist ihre Tante! Unglaublich, oder? Wir plaudern auf Russisch.«
»Schön«, sagte Irmi lahm.
Jens konnte überall auf der Welt Kontakte knüpfen und elastisch zwischen Sprachen hin und her springen wie ein Kind beim Gummitwist. Was wollte er eigentlich von ihr? Von einer Frau mit zu viel Substanz, die so mit ihrem Boden verwurzelt war. Die nur leidlich Englisch sprach und am liebsten stumme Zwiesprache mit Kühen und Katzen hielt und übers Murnauer Moor blickte. Was wollte er von ihr? Sex? Den hätte er woanders leichter bekommen und vielleicht auch besser? Womöglich bekam er ihn auch?
Irmi versuchte sich zu bremsen. Was war bloß mit ihr los? Sie und Jens hatten sich diese Beziehung doch gemeinsam so zurechtgelegt, dass sie für beide funktionierte. Ein Verhältnis, das so locker war und doch so tief. Wurde sie etwa altersmelancholisch und zweiflerisch?
»Alles in Ordnung?«, fragte Aksel.
»Ja, schon, ich finde die ganze Sache nur ziemlich verwirrend.«
»Drum bringen wir jetzt Licht ins polare Dunkel. Ihr Mitteleuropäer glaubt doch, wir sitzen das halbe Jahr depressiv und saufend in der Dunkelheit, oder?«, bemerkte er grinsend.
»Ich nicht. Ich war vor Kurzem noch in Ringstad in Vesterålen.«
»Wirklich? Aber nicht bei Carina, oder?«
»Doch.«
»Ich kenne sie. Carina stammt ursprünglich von der Insel Sorøya, und meine Frau war mit ihr in der Schule.«
»Was für eine kleine Welt.«
Sie stiegen draußen in ein Polizeiauto und fuhren durch das verschneite Alta. Überall strahlten die Lichter aus den Häusern.
»Um diese Jahreszeit ist die Stadt richtig hübsch, sonst nicht so sehr. Ich mag Alta aber trotzdem. Seine Geschichte ist aus genau dem Grund so präsent, weil man nichts davon sieht. Hier oben war ja fast alles zerstört, aber die Flüchtlinge haben sich an ihren provisorischen Wohnorten in Süd- und Mittelnorwegen schlecht aufgenommen gefühlt. Es gibt einen schönen Spruch: ›Heller branntomtene i Finnmark enn opphold hos hyggelige landsmenn.‹ Auf Deutsch: Lieber die niedergebrannten Grundstücke in der Finnmark als ein Aufenthalt bei netten Landsleuten. So sind wir bis heute, Oslo ist weit weg. Damals schon hat man sich gegen die Vorstellungen der norwegischen Behörden
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