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Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Titel: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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entwickeln werden. 51 Vielleicht wird alles genauso geblieben sein, vielleicht aber auch nicht, und vielleicht werden wir selbst uns verändert haben. Wenn es so geblieben ist, dann weißt Du, dass ich jegliche Möglichkeit akzeptiere – nur idealerweise mit Schnee.
     
    Gegen Ende 1953 brachte Sweta nun Jaroslawl ins Spiel, das sie auf einer Dienstreise zur Inspektion einer Fabrik besucht hatte. Es war nur eine Nachtfahrt von Moskau entfernt – so dass sie ihre Eltern problemlos besuchen konnte –, und es besaß Industrien, in denen sie beide eine Beschäftigung finden konnten. Am 15. September schrieb sie Lew aus der Stadt an der nördlichen Wolga:
     
Jaroslawl ist eine hübsche Stadt – nicht so ländlich wie Omsk. Es hat lange, gerade Straßen, eine annehmbare Zahl von Alleen und Gärten sowie zwei- bis dreistöckige Gebäude. Im Zentrum und in der Nähe der Fabrik gibt es auch vierstöckige Häuser. Die Menschen sind nicht allzu provinziell, zumindest habe ich im Theater keine lächerlichen Kleider und keine grell geschminkten Mädchen gesehen. Die Leute gehen nicht mit Stiefeln ins Theater und kauen keine Sonnenblumenkerne. Auch die Lebensmittelversorgung ist hier besser. Man findet zahlreiche Molkereiprodukte auf dem Markt und in den Läden (Käse, Hüttenkäse, saure Sahne und Sahne). Bei Fleisch sieht es nicht so gut aus, aber es gibt so viel Gemüse, wie man sich nur wünschen kann, und natürlich immer Kascha, Mehl, Zucker und Süßwaren etc. Man findet sogar mehrere Weinsorten (und nicht bloß einen einzigen Wermut wie in Omsk). Das Brot ist wirklich schmackhaft, und die Leute essen gut in den Kantinen.
     
    Woronesch war eine denkbare Alternative. 400 Kilometer südlich von Moskau gelegen, war es doppelt so weit entfernt wie Jaroslawl,besaß dafür aber einige Vorzüge, und Zydsik hatte es empfohlen. Sweta schrieb Lew am 10. Dezember:
     
M. A. sagt, Woronesch sei besser als Jar-l, das Klima sei milder (dessen bin ich mir nicht sicher – die Sommer sind dort sehr heiß), immer wehe eine leichte Brise, und die Luft rieche nicht nach Gummi (die Fabriken befinden sich außerhalb des Zentrums) wie in Jaroslawl. Ich werde mir Woronesch im Frühling oder Sommer ansehen. Man braucht bis dorthin ungefähr 10 Stunden (ebenfalls eine Nachtfahrt). Papa gefiel Woronesch früher gut. Mama und er sprachen ernsthaft darüber, dorthin zu ziehen (vor dem Krieg).
     
    »Ich habe viel Positives über Woronesch gehört«, antwortete Lew, »aber ich glaube, wir sollten – solange Deine Eltern noch nicht beschlossen haben, sich selbst dort niederzulassen – sicherstellen, dass es nicht länger als von morgens bis abends oder von abends bis morgens dauert, sie, das heißt Moskau, zu erreichen.« Er war pessimistisch, was die Möglichkeit des Zusammenlebens mit Sweta betraf, und er wollte sich nicht so weit entfernt ansiedeln, als dass es eine Last für sie wäre, zwischen ihm und ihren Eltern hin- und herzureisen.
    Sweta erörterte den Gedanken, nach Woronesch zu ziehen, mit Verwandten und Freunden. »Also, Ljowa«, schrieb sie am 19. Januar,
     
wen ich auch frage, ob Woronesch oder Jaroslawl besser sei – jeder antwortet, ohne eine Sekunde zu zögern: Woronesch. Erstens hat es eine Menge Bildungseinrichtungen, die eine Stadt unweigerlich prägen, und es besitzt auch mehr Kultur. Offenbar sind die Leute freundlicher als in Jaroslawl. Die Straßen sind schöner. Es ist wärmer. Ich weiß nicht, ob das Letztere ein Vorteil ist oder nicht. Immerhin scheinen die Winter dort trotzdem noch Winter zu sein. Ich fände es schade, wenn das nicht der Fall wäre. Ich liebe den Winter wirklich. Aber im Sommer dürfte es dort bestimmt sehr heiß sein.
   Und die Nachteile: Es ist doppelt so weit weg, und obwohl es wiederaufgebaut worden ist [es wurde im Krieg stark zerstört], muss immer noch so viel repariert werden, dass es schwerer sein dürfte, eine Unterkunft zu finden. Allerdings ist jedem von hier [aus dem Institut], der einen Posten in der Fabrik erhielt, ein Zimmer und manchmal sogar eine Wohnung zugeteilt worden. Man hat dort einen höheren Bedarf an Ingenieuren und kümmert sich deshalb vermutlich besser um sie. Das ist freilich reine Spekulation.
     
    Lew tendierte zu Jaroslawl – es war näher an Moskau –, aber sein Hauptanliegen bestand darin, niemandem zur Last zu fallen und sein Universitätsdiplom zurückzubekommen, damit er seine Karriere fortsetzen konnte. »Was die Möglichkeit betrifft, nach Jaroslawl

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