Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)
nicht.
Lew schilderte detailliert alles, was in dem Monat seit Ljubkas Abreise im Kraftwerk geschehen war. Die Nachrichten füllten zwölf Seiten. Dann schloss er:
Ljubka, eigentlich wollte ich dies gar nicht erwähnen, aber es wäre wirklich unsinnig, es zu verschweigen: nämlich, dass Du vermisst wirst. S. schreibt, dass sie Dir gern die Hand schütteln würde. Betrachte diesen Händedruck als vollzogen, zusammen mit meinem, und erinnere Dich an ihre Adresse: 8, 17, SAI, Kasarm, M. Behalte sie für den Empfang von Päckchen im Gedächtnis. Und hab keine Angst, wenn ein Päckchen eintrifft, denn ich habe nur um Vitamine für Deinen Skorbut gebeten, und sie kosten so gut wie nichts. Vor allem bleib am Leben, mein Junge.
Der Brief wurde nie abgeschickt, da Lew nicht wusste, wie er ihn zu Terlezki nach Inta befördern lassen konnte. Er konnte nicht einmal sicher sein, dass Ljubka überhaupt dort war.
23 Blutsenkungsgeschwindigkeit.
24 Das Institut bei Swerdlowsk, wo Sweta 1943 gearbeitet hatte.
25 Sein Magen wurde durch eine Eisenstange aufgerissen, die an der Seite eines vorbeifahrenden Lastwagens hervorragte.
26 Eine Braut, die ihren Bräutigam verloren hat ( solomennaja newesta ) . In der russischen Folklore wurde Stroh als symbolisches Zahlungsmittel beim Abschluss eines Vertrags benutzt.
27 Aufführungen im Zentralen Kindertheater, die auf Verserzählungen des sowjetischen Kinderdichters Samuil Marschak basierten.
28 Dies ist eines der Hauptthemen von Alexander Solschenizyns Roman Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch .
29 In White Nights , der Schilderung seiner Haft im Gulag Petschora von 1940 bis 1942 , zitiert Menachem Begin, der später Ministerpräsident von Israel werden sollte, einen Mitgefangenen, der behauptete, die »Nordfliegen« von Petschora seien noch schlimmer als gewöhnliche Mücken: »Sie bewachen die Häftlinge besser als alle strelki [Wärter] mit ihren Gewehren. Wie? Einmal brach ein Häftling aus dem Lager aus und rannte davon. Die strelki schossen hinter ihm her, machten sich auf die Suche und hetzten ihm Bluthunde auf die Spur – vergebens. Der Mann war verschwunden … Drei Tage später kehrte der Entflohene freiwillig zurück … Er war nicht wiederzuerkennen. Man steckte ihn in die Einzelhaft, doch er schwor, er werde nie wieder einen Fluchtversuch unternehmen. Die Nordfliegen hätten ihn eine Lektion gelehrt.« (Begin, White Nights , S. 160 f.)
30 Wahrscheinlich dachte Lew an die Lager mit »Sonderregime« ( Ossobyje lagerja ) , von denen im Frühjahr 1948 zehn eingerichtet wurden, um die »gefährlichsten« politischen Häftlinge (»Spione, Diversanten, Terroristen, Trotzkisten, Rechtsabweichler, Menschewiken, Sozialrevolutionäre, Anarchisten, Nationalisten, weißgardistische Emigranten und Mitglieder anderer antisowjetischer Organisationen«) zu isolieren. Die Lager mit »Sonderregime« befanden sich in den unwirtlichsten Regionen des Landes, mehrere sogar knapp unterhalb oder oberhalb des Polarkreises (Inta, Workuta, Norilsk und Kolyma). Häftlingen wurden Nummern auf die Haut gebrannt, sie trugen gestreifte Anzüge, und ihnen war »nur minimaler Kontakt zur Außenwelt gestattet« (Applebaum, Gulag , S. 490).
31 Sweta bezieht sich hier auf die Kontaktaufnahme mit den ungenannten freiwilligen Arbeitern, die sie in der Siedlung innerhalb der Industriezone aufnehmen werden, nämlich mit Boris Arwanitopulo (dem Leiter des Elektrokraftwerks im Holzkombinat) und seiner Frau Vera.
32 Natalia Arkadjewna muss Lew geraten haben, kein Telegramm aufzugeben.
33 Der Rest von Terlezkis zehnjähriger Haftstrafe, als man ihn nach Inta verlegte.
8
Mein Liebling Sweta, es ist schon Zeit, Dir ein glückliches neues Jahr zu wünschen. Ich glaube, in diesem Jahr sollte ich die einfachsten Dinge für Dich erhoffen, und Du solltest versuchen, das Gleiche für Dich selbst zu tun … Wünsche von Menschen, die einem nahestehen, brauchen nicht besonders erfolgreich zu sein – und überhaupt ist Glück unglaublich vage und passt vielleicht gar nicht in unsere Realität … Ich möchte, dass Du häufiger lächelst, öfter singst oder etwas vor Dich hin summst und dass Du die Augen ein wenig zusammenkneifst, wie Du es tust, wenn Du etwas lustig findest, oder dass Du sie, mit einem leichten Stirnrunzeln, weit öffnest, weil Du etwas siehst, das Dich glücklich macht. Ich möchte, dass all dieses Mienenspiel häufiger auf Deinem
Weitere Kostenlose Bücher