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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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im Fieber. Es war ein jämmerliches, ein ekelhaftes Bild der tierischsten Angst.
    »Sie werden mich umbringen …«
    Dr. Schwab nickte wieder. »Rechnen Sie einmal aus: Wieviel haben Sie umgebracht? Wieviel haben Sie zu Tode geprügelt, getreten, gehungert? Wieviel haben Sie erschossen? Wieviel sind in Ihrem Stammlager in den Gaskammern und Chlorkalkgruben verschwunden? Können Sie die Zahl Ihrer Opfer noch nachrechnen? Können Sie das überhaupt noch?«
    »Ich hatte meine Befehle«, stammelte der bleiche Mann.
    »Befehle zum Mord?«
    Die Treppe hinunter klapperte ein schneller Schritt. Der SS-Führer fuhr herum, er erhob seine Maschinenpistole, riß sie an die Hüfte, lud sie durch … doch ehe er den Finger krümmen konnte, bellte ein Schuß von den oberen Treppenstufen herab, ein einziger Schuß nur, der den Mann zur Mauer zurückwarf. Dann sank er in die Knie, warf die Arme nach vorn, als suche er Halt, rollte auf die Seite und fiel ächzend die letzte Stufe hinab in das Büro Dr. Schwabs. Dort sah er noch einmal zur Treppe, ehe sich der Körper streckte.
    In der Tür erschien einer der Heizer. Seine blauweiß gestreifte KZ-Kluft war zerrissen, in der Hand hielt er eine kleine Automatik. Er nickte zu Dr. Schwab hinüber, der noch immer mit erhobener 08 hinter seinem Schreibtisch stand, und stieg über den toten SS-Führer hinweg.
    »Das war der letzte, Doktor«, sagte er laut. »Die anderen liegen in einer Ecke des Hofes. Dürfen wir vier Wagen nehmen? Wir wollen den Amis entgegenfahren, ehe ein neues SS-Kommando kommt. Sie haben jetzt fliegende Liquidierungstrupps gebildet, die von Lager zu Lager ziehen und alles umlegen. Wir wollen so schnell wie möglich weg.«
    »Gehen Sie und nehmen Sie die Wagen.« Dr. Schwab sah auf die lang hingestreckte Gestalt des SS-Mannes. Die rechte Hand hielt noch die MP umklammert. Um den Ringfinger zog sich ein goldener Reif. Er war verheiratet, dachte Dr. Schwab. Vielleicht hatte er auch Kinder. Für sie wird der Tod des Vaters schrecklich sein. Immer trifft es die Unschuldigen – – – »Der Krieg ist eine Schweinerei!« sagte er laut.
    »Er ist vorbei!« Der KZ-Häftling steckte die Pistole ein.
    »Dieser Krieg – ja! Aber wann wird der neue kommen? Der Mensch lernt nicht aus seinen Niederbrüchen – – – er hat nie gelernt aus allen Jahrhunderten! Auch dieser Krieg, auch dieses schreckliche Ende wird ihn nicht abhalten, in zehn oder zwanzig Jahren nach neuen Waffen zu schreien und mit ihnen zu drohen. Ist der Mensch geboren zum Selbstmord?«
    Der KZ-Häftling sah Dr. Schwab lange an. Er stand in der Tür, zwischen ihnen lag der starre Körper des Erschossenen.
    »Der Mensch ist eine Fehlschöpfung Gottes – – – vielleicht tröstet uns das! Er wird sich einmal selbst vernichten und damit diesen göttlichen Irrtum selbst korrigieren.«
    Dr. Schwabs Kopf fuhr empor. Verblüfft sah er den hohlwangigen, gelbbleichen Mann an. Den langen, kahlgeschorenen Schädel, die knochigen gerippeähnlichen Hände, die eben noch einen Menschen erschossen.
    »Wer sind Sie?« fragte er stockend.
    Der KZ-Häftling lächelte schwach.
    »Professor Durnach. Professor der Literaturgeschichte an der Universität München.« Er sah auf den Toten und schloß die Augen. »Er ist der erste Mensch, den ich tötete. Und ich rede mir ein, es war aus Notwehr. Mein Gott«, er wischte sich mit der knochigen Hand über das ausgelaugte Gesicht – »was haben diese Jahre aus uns gemacht. Welch ein innerer Zusammenbruch, schlimmer als der äußere … Ob wir uns jemals davon erholen werden …?«
    Er ging die Treppen hinauf. Seine Holzsohlen klapperten laut, bis sich ihr Ton nach oben verlor. Dr. Schwab ging um seinen Schreibtisch herum. Vor dem toten SS-Führer blieb er stehen und deckte einige Bogen Papier über das verzerrte und noch im Tode vor Angst schreiende Gesicht.
    Auf dem Fabrikhof fuhren die vier Lastwagen an. Auf den Ladeflächen standen dichtgedrängt die blauweiß gestreiften kahlköpfigen Gestalten; Sie winkten und lachten, und sie sangen. Sangen aus voller Kehle, heiser, mißtönig, aber den Himmel ausfüllend mit ihrem Jubel.
    Frei! Endlich frei! Frei!
    Gott, o mein Gott – – – gibt es ein herrlicheres Wort?
    Frei – – –
    Dr. Schwab lehnte an dem Ausgang des unterirdischen Bunkers und sah ihnen nach, wie sie singend hinausfuhren aus den Trümmerbergen, die einmal das Lebenswerk Frank Gerholdts gewesen waren.
    Er fror, trotz der wärmenden Maisonne. Der ekstatische Gesang der

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