Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Er kam die Treppen hinunter und sah – als könne er das, was er wahrnahm, nicht glauben – genauer auf das Gesicht Frau v. Knörringens.
    »Was soll das?« knurrte er. »Wer ist das?«
    Der Fahrer tippte an den Rand seiner Mütze. »Befehl von Oberstleutnant Forsy. Wir sollen sie hier abgeben.«
    »Ich kenne keinen Forsy!«
    »Kommandant von Husum.«
    »Wo liegt'n das? Nie gehört.«
    Der Fahrer schwang sich vom Sitz. »Mach schon«, sagte er. »Die Frau stirbt sonst! Hol eine Bahre, schnell.«
    Der Sergeant tippte sich an die Stirn und sah wieder auf das bleiche Gesicht und auf Frank Gerholdt, der noch immer vor ihr kniete und den Körper festhielt, damit er nicht von dem Stroh rollte. »Eine Deutsche? Bei uns? Ihr seid verrückt, boys! Wir sind doch kein Altersheim. Wir brauchen die Betten für uns! Legt sie irgendwo in den Straßengraben.«
    Frank Gerholdt zuckte empor. Seine Stimme überschlug sich. »Ich will den Arzt sprechen!« schrie er grell.
    Der Sanitätssergeant sah Gerholdt kurz mit gesenktem Kopf an. Dann hob er schnell die Hand und schlug ihm mit aller Kraft seiner ausgeruhten, gut genährten Muskeln ins Gesicht. Gerholdt fiel auf der anderen Seite aus dem Jeep und rollte über die staubige Straße. Ächzend richtete er sich auf den Knien auf und wischte sich über das brennende Gesicht. Der Sergeant lachte laut.
    »Made in England!« brüllte er vor Vergnügen. Und dann auf gebrochen deutsch: »Nix mehr made in Germany! Germany kaputt! You understand?«
    Gerholdt erhob sich von der Straße. Seine Wange und die Nase brannten. Schwer atmend stand er jenseits des Wagens und hielt sich taumelnd an der kurzen Windschutzscheibe fest.
    So völlig vernichtet sind wir, durchglühte es ihn. Man darf mich schlagen, und ich muß es dulden. Ich kann mich nicht mehr wehren! Oh, was wäre aus diesem Saukerl geworden, wenn er das vor ein paar Jahren gewagt hätte! Er hätte sich nicht wiedererkannt. Die Muskeln eines hamburgischen Hafenarbeiters sind härter als die eines Sanitäters! Und jetzt darf er da stehen und mich auslachen, wie ich aus dem Dreck krieche, einer Schabe gleich, die man zertritt.
    Er starrte den lachenden Sergeanten an und beugte sich über den Jeep vor. Ihm war übel. Hunger, dachte er. Wirklich – ich habe ja seit zwei Tagen kaum etwas gegessen. Drei rohe, geschabte Möhren, ein Teller Wassersuppe. Ich habe mein Essen Rita gegeben und gesagt, ich wäre satt.
    »Ich möchte den Arzt sprechen!« stöhnte er.
    Der englische Sergeant sah Gerholdt verblüfft an. Das sind die Deutschen, mochte er denken. Man schlägt sie zu Boden, aber sie stehen wieder auf und haben nichts gelernt und sagen genau das gleiche wie vorher! Eine widerliche Bande, diese Deutschen.
    Der englische Fahrer zeigte ein Stück Papier vor. Es war vielleicht der Marschbefehl Oberstleutnants Forsy oder ein Schreiben an den Arzt des Lazaretts … der Sergeant warf einen Blick darauf und nahm das Papier an sich.
    »Ich werde den Major fragen«, knurrte er.
    Dann ging er die Treppen empor, langsam, gemächlich. Ich habe Zeit, dachte er. Jede Minute, die ich gewinne, verliert dieser Deutsche!
    Er haßte die Germans … Sie hatten Birmingham bombardiert und dabei seine Braut getötet.
    Es war eine fast geile Lust, den Deutschen jetzt diesen Haß fühlen zulassen.
    Nach zehn Minuten, in denen sie draußen vor der Treppe standen, umschwirrt von den ausladenden Wagen, von Hunderten Stimmen, von aufgewirbeltem Staub, erschien in der Tür ein englischer Offizier mit einem weißen Kittel über der Uniform. Er eilte die Treppen hinab und beugte sich über Frau v. Knörringen. Dann sah er zu Gerholdt hinüber, der verschmutzt durch den Sturz auf die Straße die Hand der Kranken hielt.
    »Unfall?« fragte der englische Arzt auf deutsch.
    »Nein. Ein Nervenschock mit einer vollkommenen Funktionslähmung.« Gerholdt sah den Major aus flatternden Augen an. »Sie sind die einzige Rettung. Sie haben die Möglichkeit, sie zu retten!« Der Major richtete sich auf.
    »Warum gehen Sie nicht zu einem deutschen Arzt?«
    »Dort war ich!«
    »Und er hat nicht geholfen?«
    Frank Gerholdt sah die etwas spöttischen Augen des englischen Arztes. Er ist der Sieger, dachte er. Er genießt diese Minuten. Die Germans liegen am Boden … nicht einmal die Ärzte helfen, sie vergessen den Eid des Hippokrates. Er schüttelte den Kopf.
    »Sie haben keine Möglichkeiten«, sagte er langsam. »Man hat ihnen alles genommen …«
    »Wir haben ihnen alles

Weitere Kostenlose Bücher