Schicksalsbund
sehen.«
Mack schnappte nach Luft. »Du bist ein verdammter Geistchirurg«, vermutete er. Trotz seiner Wut auf den Sergeant Major, weil er jemanden mit ungeahnten Fähigkeiten in sein Team eingeschleust hatte, schwang eine Spur von Ehrfurcht und Respekt in seiner Stimme mit. Geistchirurgen besaßen eine der seltensten Gaben. Mack war nie einem von ihnen persönlich begegnet. Es wurde zwar gemunkelt, es gäbe sie wirklich, aber niemand, den er kannte, hatte je einen Geistchirurgen gesehen. Joe Spagnola besaß, wie viele andere auch, rudimentäre Fähigkeiten, mit denen er Wunden heilen konnte, aber keiner von ihnen konnte tatsächlich Operationen durchführen, wie man es Geistchirurgen nachsagte. »Verdammt nochmal, du bist tatsächlich einer.«
Pauls Blick wanderte durch den Raum und ließ keines der Gesichter aus. »Ich könnte getötet werden, wenn jemand das herausfindet.«
»Bist du übergeschnappt? Wenn du ein echter Geistchirurg bist, dann bist du von unschätzbarem Wert.«
»Lasst mich ihm helfen.« Paul holte tief Atem.
Jetzt erst merkte Mack, dass der Junge seinen Blick nicht von Gideon abwenden konnte und dass seine Hände ein Muster zu weben schienen; seine Finger waren unablässig in Bewegung, fast schon zwanghaft. Mack trat zur Seite.
Bleib in seiner Nähe, Kane. Ich habe nie einen Geistchirurgen in Aktion gesehen, aber ich habe Geschichten gehört. Es heißt, sie seien nicht ganz richtig im Kopf. Der Junge weist einige beunruhigende Anzeichen auf. Ich bringe Jaimie ihr Getränk. Wir müssen unbedingt herausfinden, was genau auf diesem Computer ist.
Wieso wollte der Sergeant Major nicht, dass wir es wissen? Der Anführer eines jeden Teams gäbe seinen rechten Arm dafür, ihn in seinem Team zu haben. Wir haben einen halben Tag lang Argumente dagegen angeführt, Paul in unser Team aufzunehmen. Warum hat der Sergeant Major es uns nicht einfach gesagt und sich die ganze Auseinandersetzung erspart?
Und, was noch wichtiger ist, warum wollte er nicht, dass wir die Gaben des Jungen nutzen? Behalte ihn ständig im Auge. Wenn es so aussieht, als täte er Gideon etwas an, dann töte ihn. Stell keine Fragen.
Mack zuckte die Achseln. »Na, dann mal los, Junge, aber geh vorsichtig mit ihm um. Er ist unser aller Augen und Ohren. Ohne ihn sind wir verkrüppelt.«
Zum ersten Mal drückte sich echte Lebhaftigkeit auf Pauls Zügen aus. Er eilte zu Gideon, hielt seine Handflächen zwei Zentimeter über den Körper des Mannes und begann seine Hände von Kopf bis Fuß über ihn zu
bewegen. Dabei ließ er sich Zeit und wandte dem Kopf und dem Schädel besonders große Aufmerksamkeit zu. Er sah aus, als sei er in Trance.
Gruselig, Boss. Der Junge ist weit weg, irgendwo da draußen, sagte Kane.
Du brauchst nur dafür zu sorgen, dass Gideon nichts zustößt.
Die anderen Männer rückten näher, um besser sehen zu können, was hier geschah. Mack bahnte sich einen Weg durch sein Team zur Küche. Er brauchte Antworten, und diese Antworten waren auf dem Laptop des Jungen. Jaimie und Javier mussten irgendwie reinkommen.
12.
»OH, DAS SIEHT aber gar nicht gut aus«, flüsterte Javier.
Mack blieb wie erstarrt am unteren Ende der Treppe stehen. Sie mussten wissen, was Paul vor ihnen verbarg. Wenn Javier und Jaimie nicht herausfanden, wie sie in den Laptop kamen, und hoffentlich Paul von jedem Verdacht freisprechen konnten … Schließlich konnte er keinen Spion in seinem Team dulden, der eine Gefahr für die anderen darstellte.
»So etwas habe ich noch nie gesehen«, gab Javier zu.
»Dann ist es ja ein Glück für uns, dass es mir nicht auch so geht«, sagte Jaimie.
Mack stand mehrere Minuten da und sah sich genüsslich an dem Anblick satt, den Jaimie bot, wenn sie in ihre Arbeit vertieft war. Es gab wenig anderes, wofür er sich so sehr begeisterte. Er liebte es, diese uneingeschränkte Konzentration und Zielstrebigkeit zu sehen, die grenzenlose Freude über ihre Entdeckung, wenn sie fand, wonach sie gesucht hatte. So wie jetzt war sie auch im Bett – hundertprozentig auf ihn konzentriert. Jede ihrer prachtvollen Gehirnzellen, jedes Nervenende, jedes kleinste Partikel ihres Wesens richtete sich dann auf ihn, ihre ganze Person. Körper, Seele, Geist und Herz. Bei ihrer Arbeit ließ sich das besonders gut beobachten. Für Jaimie gab es nur ganz oder gar nicht, alles oder nichts. Und für ihre Arbeit gab sie, wie für ihre Liebe, alles.
Sie kostete es aus. Je größer die Herausforderung war, desto mehr genoss
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