Schicksalsbund
euch allen erreichen können.«
»Schon wieder dieser geheimnisvolle Plural«, sagte Mack. »Du sagst sehr oft ›die‹ und ›ihr‹. Auch du bist ein Schattengänger, Jaimie. Du hast, ebenso wie der Rest von uns, deine Einwilligung gegeben. Und nicht jeder, der an dem Programm teilgenommen hat, ist korrupt.«
Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken, der Kane gegenüberstand.
»Das weiß ich doch, Mack. Es ist nur so, dass ich diese ganze Schweinerei verabscheue. Whitney hat bei manchen Menschen absichtlich Krebs ausgelöst. Er hat Menschen verletzt, um zu sehen, ob er den Heilungsprozess beschleunigen kann. Er ist vollkommen außer Kontrolle geraten, und man weiß das. Mehr als nur eine Person weiß es, und doch schützen sie ihn. Sie wollen seine Forschungsergebnisse, und um die zu schützen, sind wir alle entbehrlich. Und die Regierungen anderer Länder sind hinter uns her, weil sie einen von uns haben wollen, um ihn zu sezieren, damit sie dieselbe Form von Soldaten produzieren können. Glaubst du, einer von uns hätte noch ein Leben vor sich, wenn wir nicht schleunigst aussteigen?«
Kane steckte seine Waffe wieder unter seinen Schlafsack, da er wusste, dass Jaimie Waffen hasste. »Es wird alles gutgehen, solange wir zusammenhalten, Jaimie.«
Sie sah ihm in die Augen. Die Verzweiflung war ihr anzusehen. Sie war zu intelligent, um sich wie ein Kind trösten zu lassen, und das wussten sie beide. Sie hatte Hunderte von Stunden darauf verwendet, sich mit Whitneys Experimenten zu beschäftigen. Die Berichte und Protokolle lasen sich wie Schauergeschichten.
Ihre Schläfen pochten schmerzhaft, eine Folge des Einsatzes übersinnlicher Energien. Es half, dass Mack
und Kane in ihrer Nähe waren, doch der Schmerz war trotzdem so stark, dass sich ihr fast der Magen umdrehte.
Sie wollte nicht an all die Kinder denken, an denen Whitney seine Experimente angestellt hatte. Dass er sie an Erwachsenen durchgeführt hatte, war schon schlimm genug, aber sie wusste, dass auch Kinder daran beteiligt gewesen waren. Der Mann war immer noch auf freiem Fuß, lief irgendwo dort draußen herum, stillschweigend geduldet und unterstützt von einer Gruppe machtgieriger Männer, die über dem Gesetz zu stehen glaubten. Die Männer des Schattengängerteams drei waren ihre Familie. Sie waren zwar nicht durch Blutsbande miteinander verknüpft, doch sie hatten vor Jahren beschlossen, sich zusammenzutun und das Leben gemeinsam zu meistern. Jetzt schwebten sie alle in Gefahr.
»Ich kann sie nicht retten«, sagte sie laut und stellte dann zu ihrem Entsetzen fest, dass sie die Worte gedankenlos ausgesprochen hatte.
Sie konnte den beiden nicht mehr vertrauen, weder Mack noch Kane. Sie hatten ihre neuen Körper und ihr neues Bewusstsein mit Freuden angenommen, und sie hatten geglaubt, sie würden große Veränderungen bewirken können. Sie waren ehrenwerte Männer und sie kämpften für das, woran sie glaubten. Aber sie, Jamie, gehörte diesem Kreis nicht mehr an. Ganz gleich, wie vertraut sie ihr waren und wie sehr sie die beiden ins Herz geschlossen hatte – sie musste immer daran denken, dass sie an ihren Unternehmungen nicht mehr beteiligt war, und falls sie Befehle erhalten sollten, die sie betrafen, würden beide Männer diese Befehle befolgen.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ließ sich Mack auf den Stuhl neben ihr sinken, streckte einen Arm aus und
nahm ihre Hand. »Wir sind hier in San Francisco, weil wir Jagd auf diese Waffenlieferung und auf die Männer machen, die diese Waffen kaufen werden. Das ist unsere einzige Chance, an die Doomsday-Gruppe heranzukommen. Zufällig befinden sie sich in deiner Nachbarschaft, was auch immer das zu bedeuten hat und wie auch immer es dazu gekommen ist. Jemand bedroht dich. Lass uns einfach einen Waffenstillstand schließen, bis wir die Bedrohung ausgeräumt haben und ich die Terroristen in Gewahrsam genommen habe.«
»Du nimmst sie nicht in Gewahrsam, Mack«, wandte sie ein. »Du sorgst nicht für ihre Verhaftung, sondern du bringst sie um.«
»Ich tue das, was erforderlich ist. Und ich werde auch alles tun, was erforderlich ist, damit du am Leben bleibst, Jaimie. Was auch immer hier vorgeht, es ist nicht mein Werk. Du wolltest raus. Ich hatte gehofft, du würdest rauskommen und dir ein Leben aufbauen.«
Er hatte gehofft, sie würde zu ihm zurückkommen und ihm sagen, dass sie ihn an jedem einzelnen Tag in jeder einzelnen Minute vermisst hatte – dass sie ohne ihn nicht atmen konnte.
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