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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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empört und starrte auf das Kleid, das ihr Grant aus ihrem Haus am Grosvenor Square mitgebracht hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass dies tatsächlich eines ihrer Kleider war, sie zweifelte nur am Geschmack der Person, die es gekauft hatte. Zugegeben, es war schön geschnitten und der Stoff von exquisiter Qualität aber die Farbe, dieses tiefe samtige Pflaumenblau passte überhaupt nicht zu ihrer Haarfarbe. Und mit jämmerlicher Stimme fügte sie hinzu: »Und dazu etwa noch diese rote Bluse? Da bekommt man ja Kopfschmerzen! Unmöglich!«
    Mit mütterlich strengem Blick und die Hände in die Hüften gestemmt stand Mrs. Buttons im Badezimmer und beobachtete, wie Mary der gerade dem Bad entstiegenen Miss Duvall ein weißes Handtuch reichte. »Sie sollten es erst einmal probieren, Miss Duvall. Sie werden bestimmt überrascht sein, wie gut es Ihnen steht.«
    »Nun gut, ich werde es anziehen«, sagte die nasse Vivien, die im Luftzug eine Gänsehaut am ganzen Körper bekam. »Ich werde es also anziehen und mich vollkommen lächerlich machen.«
    »Ich versichere Ihnen, dass Sie darin nicht lächerlich aussehen werden. Sie können überhaupt nicht lächerlich aussehen, Miss Duvall.« Mrs. Buttons hatte ihr Verhalten gegenüber Miss Duvall in den letzten drei Tagen gründlich verändert. Aus der anfänglichen kühlen Zurückhaltung war eine warmherzige Zuneigung geworden, die auch das übrige Personal Miss Duvall gegenüber zeigte. Dies lag auch an der ehrlich gemeinten Dankbarkeit, die Vivien die Hausmädchen spüren ließ, wann immer sie etwas für sie taten.
    Vivien wusste, dass diese Art von Bedienung für Damen von Stand eine Selbstverständlichkeit war und dass dabei jede Form von Vertraulichkeit mit dem Personal sich nicht ziemte. Sie war keine Dame von Stand, dass hatte Vivien schmerzhaft erfahren müssen. Und wenn sie ihre zweifelhafte Vergangenheit berücksichtigte, konnte sie für diese Freundlichkeit und Warmherzigkeit nur sehr dankbar sein. Denn das Personal wusste alles über sie und ließ es sie nicht spüren. Als sie Mrs. Buttons darauf angesprochen hatte, hatte diese geantwortet: »Mr. Morgan hat uns klar gemacht, dass er Sie sehr schätzt und dass Sie mit größtem Respekt als sein Gast behandelt werden sollen. Aber es wäre gar nicht nötig gewesen, uns das zu sagen, Miss Duvall, denn Ihr Charakter spricht für sich. Ich und die Mädchen wissen, dass Sie eine liebevolle und anständige junge Frau sind.«
    Vivien zögerte einen Moment, bevor sie mit gesenktem Kopf antwortete: »Ich fürchte, das bin ich nicht.«
    Schweigend standen sich die beiden Frauen gegenüber, bis Mrs. Buttons eine Hand auf Viviens Schulter legte.
    »Wir alle machen Fehler, Miss Duvall. Und ich hab schon von schlimmeren als den Ihren gehört, glauben Sie mir.
    Durch Mr. Morgans Beruf habe ich bereits so viele zwielichtige und hoffnungslos verdorbene Gestalten zu sehen bekommen. Mit denen haben Sie nichts zu tun.«
    »Ich danke Ihnen«, flüsterte Vivien bewegt. »Ich werde versuchen, Ihrem Vertrauen auch gerecht zu werden.«
    Seit diesem Gespräch hatte Mrs. Buttons gegenüber Vivien fast mütterliche Gefühle.
    In der folgenden Zeit war Grant so mit den Ermittlungen in verschiedenen Fällen beschäftigt, dass er Vivien nur sehr selten zu Gesicht bekam. Meist sah er am Morgen vor der Arbeit nach ihr, erkundigte sich nach ihrem Befinden, plauderte ein paar Minuten und verschwand dann für den Rest des Tages. Abends zog er sich nach einem spartanischen Mahl zum Lesen in die Bibliothek zurück.
    Für Vivien war Grant ein nur schwer zu durchschauender Mann. Und auch die Groschenhefte, die sie sich von den Hausmädchen lieh, gaben wenig Aufschluss über seinen wahren Charakter. Die reißerisch aufgemachten Geschichten erzählten von grausamen Verbrechen, die der Held Grant Morgan erst lösen konnte, nachdem er die blutrünstigen Schurken durch die halbe Welt gejagt hatte. Mit dem Menschen Grant hatte das so gut wie gar nichts zu tun und der Autor dieser Geschichten schien sich für ihn auch nicht zu interessieren. Wie offenbar die meisten Menschen, dachte Vivien. Das Volk brauchte Legenden und Helden, keine verletzlichen, normalen Männer.
    Dabei war es gerade der weiche Kern dieses harten Mannes, der Vivien interessierte. Grant wollte offenbar den Eindruck erwecken, als gäbe es diesen Kern gar nicht doch glaubte Vivien zu spüren, dass er unter seiner harten Schale schmerzhafte Erinnerungen aus seiner Vergangenheit bewahrte. Aber

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