Schicksalsfäden
ist alles. Wenn Ihre Vergangenheit Ihnen peinlich ist bedaure ich das, aber es ist nicht mein Problem.«
»Sie intriganter, arroganter …« Sie suchte nach dem gemeinsten Ausdruck, den sie kannte, und als ihr keiner einfiel, hob sie stattdessen die Hand, um ihn zu schlagen.
»Nur zu«, sagte Grant ruhig, »wenn Sie sich dann besser fühlen.«
Vivien starrte ihn an, diesen gutaussehenden, starken, gelassenen, scheinbar unverwundbaren Mann in seinem eleganten schwarzen Anzug. Ein Schlag von ihr würde ihn nur amüsieren. Sie ließ die Hand sinken und ballte sie in Hüfthöhe zu einer Faust. Es kostete sie höchste Willenskraft, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen.
»Sie können überhaupt niemandem wehtun, stimmt’s?«, sagte Grant sanft. »Selbst wenn derjenige es verdient hätte.
Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich, Vivien. Früher haben Sie mit Menschen jongliert wie mit Bällen, haben Männer genommen und fallen lassen, wie es Ihnen gefiel. Sie haben ihnen das Herz herausgerissen und darauf getanzt und es hat Ihnen auch noch Spaß gemacht. Was ist nur mit Ihnen geschehen?«
Seit sie nach dem Mordversuch zu Bewusstsein gekommen war, hatte sie sich nie auch nur für eine Sekunde als Prostituierte gefühlt. Aber jetzt wünschte sie sich, sie könnte in ihr altes Selbst zurückschlüpfen, wünschte sie, sie könnte wieder die rücksichtslose, sorglose Vivien sein. Vielleicht würde Grants Verrat dann weniger schmerzen.
Sie hatte ihn als Freund gesehen, als jemanden, dem sie vertrauen konnte und der sich schützend vor sie stellte. Sie hatte sich sogar in ihn verliebt, obwohl sie wusste, dass es aussichtslos war. Aber er war nicht ihr Freund, das wusste sie jetzt. Er war ihr Gegner, wie alle anderen auch. Sie stand allein, und niemand würde ihr helfen, wenn jemand den ersten Stein warf. Ach, zum Teufel mit ihnen allen. Sollten sie doch starren und lästern …
Sie sah Grant kalt in die Augen, hektische Flecken zeichneten sich auf ihren Wangen ab. »Also gut, Grant«, sagte sie mit dunkler Stimme. »Heute Abend erleben Sie eine Galavorstellung. Ich werde jeden zufrieden stellen und allen geben, was sie verdienen. Auch Ihnen.«
»Was soll das heißen, verdammt noch mal?«
»Diesmal werde ich Ihnen helfen, Mr. Runner.«
Sie drückte den Rücken durch, hob das Kinn und lief die Galerie hinab in Richtung der großen Halle. Sie wirkte wie ein Gladiator, der in die Arena zieht.
Langsam folgte ihr Grant, beobachtete ihre entschlossenen Bewegungen. Alle Scham war von ihr gewichen, sie wirkte mit einem Mal selbstbewusst und aufreizend. Wie die alte Vivien, dachte Grant, genauso kokett und provozierend.
Und wirklich. jetzt flirtete Vivien ganz offen mit den Männern, neckte sie und spielte mit ihnen, und es dauerte nicht lange, da wurde sie von den Gentlemen umschwirrt wie Licht von Motten. Einige waren sozusagen alte Bekannte der alten Vivien, und diese Herren schienen mehr als bereit ihre Beziehung zu Vivien wieder aufzufrischen. In der anregenden Gesellschaft schien Vivien der Wein besonders gut zu schmecken und viel zu schnell pflückte sie dem vorbeikommenden Diener ein – weiteres Glas vom Tablett.
Grant umschlich Vivien und ihre Verehrer und kam sich vor wie ein Verhungernder, der anderen dabei zusehen musste, wie sie sich an seinem kalten Büffet bedienten. Da spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter, drehte sich um und erkannte Sir Ross.
»Lassen Sie sie, Grant. Sie verfolgt genau die richtige Strategie. Wirklich clever von Miss Duvall.«
»Ach was«, sagte Grant bitter. »Sie ist einfach in ihrem alten Element. Sie wird nicht aufhören, bevor nicht jeder Mann im Raum sich nach ihr die Finger ableckt.«
»So, glauben Sie«, antwortete Cannon trocken. »Dann sehen Sie mal etwas genauer hin und sagen Sie mir, was Sie sehen.«
»Eine Prostituierte, die sich köstlich amüsiert.« Grant nahm einen tiefen Schluck von seinem Brandy.
»Tatsächlich? Ich sehe dagegen eine Frau mit Schweißperlen auf der Stirn, die sich verzweifelt fröhlich an ihrem Glas festhält. Ich sehe eine Frau, die alle ihre Kraft zusammen nimmt um eine unangenehme, aber notwendige Pflicht zu erfüllen, auch wenn sie ihr noch so peinlich ist.«
»Pah«, schnaubte Grant. »Dieser Frau ist nichts peinlich.«
Ross musterte seinen besten Runner genau. »Wenn Sie meinen, Grant. Aber ich fürchte, heute Abend ist Ihrem Urteilsvermögen nicht mehr uneingeschränkt zutrauen.« Damit verließ er Grant und mischte sich
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