Schicksalsfäden
jetzt aufhält? In diesem White Rose Cottage?«
»Das lässt sich feststellen. Ich werde jedenfalls noch heute hinfahren. Gleich nachdem ich Cannon in der Bow Street über diese Entwicklung unterrichtet habe.«
»Ich werde mitgehen.«
»Ich glaube, es wäre sicherer für dich, wenn du hier bleiben würdest. Schließlich haben wir keine Ahnung, was uns dort erwartet.«
»Aber ich muss mit. Wenn wirklich die echte Vivien in diesem Haus ist kann sie mir vielleicht dabei helfen, meine Erinnerung wiederzuerlangen. Schließlich geht es in dieser ganzen Geschichte um mich.«
»Trotzdem wirst du brav hier in London bleiben. Am besten in meinem Haus. Da bist du sicher. Ich werde einen der Runner für deine Bewachung abkommandieren.« Als er sah, wie unglücklich sie über diese Entscheidung war, trat er einen Schritt auf sie zu, legte einen Arm um sie und sah ihr tief in die Augen. »Versteh doch: Ich werde nicht riskieren, dass dir jemand auch nur ein Haar krümmt. Und die Sache ist gefährlich, das sollte gerade dir klar sein. Lass mich das machen. Ich will auch, dass du weißt wer du bist und wie das alles geschehen konnte.«
Seine Worte beruhigten Vivien etwas, und sie nickte zögernd, aber doch verständnisvoll. »Aber du musst versprechen, dass du so schnell wie möglich zurückkommst.«
Als Antwort küsste er sie auf die Stirn und drückte sie an sich. »Natürlich. Nur wo du bist will auch ich sein.«
In der Droschke auf dem Weg nach Hause lag der Brief auf Viviens Schoß. V. Devane … Der Name sagte ihr etwas, aber sie wusste nicht, wo sie ihn einordnen sollte. V. Devane … Plötzlich sagte sie: »Erinnerst du dich noch an das kleine Bild in Vivien Duvalls Schlafzimmer? Es zeigte ein Haus, das von weißen Rosen überwuchert war, wenn ich mich recht erinnere. Devane … ich glaube, so lautete die Signatur. Dieser Mann, dieser Künstler Devane muss Vivien Duvall sehr viel bedeuten, wenn sie ein Bild von ihm in ihrem Schlafzimmer hat … und wenn sie in der Not zu ihm flüchtet.« Wieder hantierte sie nervös mit dem Brief, bis Grant schließlich ungeduldig die Hand ausstreckte:
»Gib mir jetzt besser das Ding, bevor du es in Fetzen gerissen hast.«
Vivien zögerte nur kurz und händigte den Brief dann ohne Widerstand aus. »Glaubst du wirklich, dass Vivien noch am Leben ist?«
Zur Beruhigung legte er ihr seine Hand aufs Knie und drückte ganz leicht. »Da bin ich mir ganz sicher. Sie hat wie eine Katze neun Leben und landet immer auf ihren Füßen.«
»Ich hoffe, du hast Recht. Irgendwie fühle ich mich für sie verantwortlich. Vielleicht sind wir ja doch verwandt, vielleicht ist sie sogar meine Schwester. Was meinst du?«
»Du siehst ihr so ähnlich, es wäre ein Wunder, wenn du es nicht wärst.«
Mit einem Seufzen ließ sie sich zurücksinken. »Es wäre schön, eine Schwester zu haben, eine Familie … und Freunde, viele Freunde. Doch niemand scheint mich zu vermissen, keiner scheint mich zu suchen. Ich verstehe das nicht jeder hat doch irgendwen, der ihm wichtig ist …«, ihre Stimme wurde leiser, »… der ihn liebt.«
»Auch du.«
Überrascht blickte Vivien auf und in sein Gesicht. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Hatte sie ihn richtig verstanden?
Grant erwiderte den Blick und nahm ihre Hand in die seine. Die grünen Augen strahlten Wärme aus, gaben Sicherheit. »Wenn ich Vivien heute finde, wird das nichts zwischen uns ändern. Und wenn du dich endlich wieder an alles erinnern kannst wird das nichts zwischen uns ändern. Denn ich bin kein Teil deiner Vergangenheit. Die gehört nur dir. Aber ich will Teil deiner Zukunft sein, denn die soll uns beiden zusammen gehören.«
»Wenn es wieder um letzte Nacht geht, dann sollst du wissen …«
Er unterbrach sie. »Nein, davon spreche ich nicht. Ich spreche von meinen Gefühlen für dich.«
Merkwürdigerweise lösten seine Worte gemischte Gefühle in ihr aus. Einerseits konnte sie sich kein größeres Glück vorstellen, als von einem Mann wie Grant Morgan geliebt zu werden. Andererseits hatte sie Angst dass er all dies aus Schuldgefühlen und Pflichtbewusstsein tat um wieder gutzumachen, was er gestern von ihr genommen hatte. Sie wollte nicht Objekt seiner Buße sein. Außerdem hatte sie nicht vergessen, was er über die Ehe gesagt hatte: Dass er keine Verwendung für eine Frau hätte. Dass er niemals nur eine Frau im Leben lieben und begehren könnte. Dass er nicht treu sein könnte. Gut damals hatte er noch gedacht sie sei eine
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