Schicksalsfäden
untersucht.«
Während Dr. Linley gesprochen hatte, hatte Grant Vivien ungläubig angesehen. »Verdammt!«, rief er aus, als er sah, dass Vivien keineswegs überrascht war von dem, was sie hörte. »Du wusstest von der Schwangerschaft!?«
»Wahrscheinlich war Lord Gerard der Vater«, sagte Vivien. »Jedenfalls hat er mir die Geschichte auf dem Ball erzählt.«
»Und warum zum Teufel hast du mir das nicht gesagt?«
»Weil. ich deine Reaktion geahnt habe. Du hättest mich doch nur verachtet. Also hab ich’s erst mal für mich behalten.«
Grant wandte sich heftig fluchend ab und wanderte unruhig durchs Zimmer. Schließlich blieb er ganz nah vor Dr.
Linley stehen und sah bedrohlich auf ihn herab. »Die Akte, Linley. Sofort. Und ich bin gespannt, was Sie mir sonst noch alles nicht erzählt haben.«
Die meisten Männer hätten sich von Grants Haltung einschüchtern lassen, doch nicht Dr. Linley. Er wich keinen Zentimeter zurück, als er antwortete: »Gut Morgan. Sie sollen die verdammte Akte haben. Aber erst nachdem ich mit Miss Duvall oder besser dieser jungen Dame hier gesprochen habe. Unter vier Augen.«
»Wieso unter vier Augen?«
»Weil sie meine Patientin ist. Und das, Morgan, ist das Einzige, was mich interessiert. Das Wohlergehen meiner Patienten. Ich habe schon Frauen nach der Hochzeitsnacht hysterisch reagieren sehen. Ich will mich selbst von ihrem Zustand überzeugen. Und dabei ist es weder meinen noch den Nerven meiner Patientin zuträglich, wenn Sie hier wie ein wildgewordener Ochse durchs Zimmer stampfen.«
Für einen Augenblick sah es so aus, als könnte Grant handgreiflich werden. Doch dann wandte er sich nur ab und sagte bissig: »Nerven. Den Nerven Ihrer Patientin geht es wirklich sehr gut Linley, da machen Sie sich mal keine Sorgen. Diese Frau hat bestimmt gute Nerven.« Er sah Vivien herausfordernd an.
Sie saß nur da, rang die Hände in ihrem Schoß und sagte kein Wort.
»So, jetzt aber raus hier, alter Freund«, sagte Dr. Linley. »Sie können sich ja im Billardzimmer unterhalten oder einen Drink zu sich nehmen. Der beruhigt vielleicht Ihre Nerven.«
Grant grummelte noch etwas Unverständliches und verließ dann den Raum.
Als sie schließlich allein waren, sah Vivien dem Doktor ängstlich entgegen, doch als er vor ihr stand, war nichts als Fürsorge und Freundlichkeit in seinen grauen Augen. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr. Dann lächelte er und sagte: »Er ist manchmal etwas temperamentvoll, aber ansonsten einer der nettesten Kerle, die ich kenne. Etwas ungeschickt mit Frauen, wie ich zugeben muss, und sicher kein Verführer unschuldiger Mädchen.«
»Er wollte Rache dafür, dass die echte Vivien Duvall ihn bloßgestellt hatte«, sagte sie niedergeschlagen. »Er wollte mit ihr schlafen und sie dann einfach fallen lassen.«
Dr. Linley schüttelte den Kopf. »Das klingt gar nicht nach ihm«, sagte er nachdenklich.
»Jetzt will er natürlich alles wieder gutmachen«, sagte sie bitter. »Er will sich selbst sogar davon überzeugen, dass er mich liebt.« Sie schüttelte den Kopf.
»Ich denke, dass Sie, nach allem was Sie durchgemacht haben, eine Wiedergutmachung mehr als verdient haben.«
»Nein, ich will keine Wiedergutmachung. Ich will nur wissen, wer ich bin!«
»Natürlich«, sagte der Doktor und sah sie verständnisvoll an, »das ist das Wichtigste. Leider kann ich dabei nicht besonders hilfreich sein, fürchte ich. Aber ich kann Ihnen zumindest versichern, dass die unerfreuliche Erfahrung, die Sie letzte Nacht gemacht haben, bei zukünftigen Gelegenheiten dieser Art nicht mehr auftreten wird.«
Vivien war drauf und dran, ihm zu sagen, dass es für Grant ›Gelegenheiten dieser Art‹ nicht mehr geben werde.
Stattdessen antwortete sie: »Ich verstehe. Damit wäre ja wohl alles gesagt Doktor.«
»Noch nicht ganz, meine ungeduldige junge Dame. Hören Sie mir noch einen Augenblick zu. Ich will Ihnen nur mit auf den Weg geben, dass Ehrlichkeit echte Zuneigung und Vertrauen das Wichtigste sind, wenn Mann und Frau zusammenkommen. Und sie sollten vorher prüfen, ob sie das gegenseitig für sich empfinden. Wenn ja, dann kann das, was Ihnen das erste Mal noch Schmerzen bereitet hat die wunderbarste Erfahrung sein.«
Vivien musste an den Mann denken, der in diesem Moment aufgeregt durchs Haus lief. Sie merkte, dass sie sich nach ihm sehnte. Ob sie ihm wirklich trauen konnte? War er das Vertrauen wert oder würde er es wieder missbrauchen?
Als hätte er ihre
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