Schicksalsfäden
Prostituierte, aber in seiner Stimme hatte trotzdem kein Hauch von Zweifel gelegen. Sie wollte – sich jedenfalls gar nicht erst der Gefahr aussetzen, irgendwann für eine andere fallen gelassen und gedemütigt zu werden.
»Ich will keine Versprechungen oder Schwüre hören, Grant«, sagte sie und legte ihm einen Finger auf die Lippen, bevor er weitersprechen konnte. »Noch nicht.«
Er ergriff ihre Hand und begann sie zu liebkosen, küsste ihre Finger und ihr zartes Handgelenk. »Wir sprechen darüber, wenn ich zurück bin.«
In diesem Augenblick hielt die Droschke mit einem Ruck. Sie waren zu Hause.
»Also dann …«, sagte sie unsicher.
»Mach dir keine Sorgen, Liebste. Ich werde Vivien Duvall finden und Ordnung in dieses Chaos bringen. Und dann werde ich mich verdammt noch mal sogar bei ihr entschuldigen.« Er zog eine Grimasse.
Vivien blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen überrascht an. »Das willst du tun?«
»Ich werde schon nicht an einer Entschuldigung ersticken, schätze ich.« Er grinste.
Kapitel 13
Im Herzen von Surrey lag die kleine Ortschaft Forest Crest. Ein idyllisches Städtchen, umgeben von Stechginster und Heidekraut inmitten sanfter Hügel. In Forest Crest gab es zwei Straßen, eine Kirche und einen kleinen, mit hohen Bäumen bestandenen Park. Die Libelle schien eine Art Symbol für den Ort zu sein, denn man sah sie als Schmuck an mehreren Gebäuden und Geschäften. Und auch in dem Park schwirrten eine Menge Libellen herum.
Grant brachte seinen Einspänner vor einer Bäckerei zum Stehen. Er atmete die warme, würzige Luft mit geschlossenen Augen tief ein und stieg dann ab. Nachdem er das Pferd an einen Pfahl gebunden hatte, trat er in das Geschäft.
Eine rundliche Frau zog gerade ein Blech mit frisch gebackenen Broten aus einem Holzofen hinter der Ladentheke.
Als sie ihn hereinkommen sah, richtete sie sich auf, lächelte Grant an und stemmte die Hände in den Rücken.
»Ein paar frische Backwaren für Sie, Sir?«
Grant schüttelte bedauernd den Kopf. »Es duftet verführerisch, aber danke nein. Ich hätte gern eine Auskunft: Wissen Sie, wie ich zum White Rose Cottage komme?«
»White Rose Cottage, sagen Sie? Na klar. Da, hat jahrelang der Schulmeister mit seiner Tochter gewohnt. Die Devanes. Waren nette Leute, wirklich, nichts gegen zu sagen. Haben wahnsinnig viel gelesen, waren richtige Bücherwürmer. Ein Leben umgeben von Büchern und Kindern, das waren die Devanes. Doch dann ist der arme Mann, Gott hab ihn selig, vor zwei Jahren gestorben. Das Herz, sagt man. Aber seine Tochter lebt da immer noch mit all den Büchern. Die Cottage Street runter und dann an der Kirche der Himmlischen Heerscharen vorbei. Dann sehn Sie’s schon. Aber erschrecken Sie mir das arme Mädchen nicht Sir, die ist nämlich ziemlich scheu, müssen Sie wissen. Wir haben sie jedenfalls schon seit Wochen nicht mehr im Dorf gesehen. Das Hausmädchen macht für sie alle Besorgungen.« Sie unterbrach ihren Redefluss und sah Grant scharf an. »Was wollen Sie denn von ihr, Sir, wenn ich so neugierig sein darf?«
»Sie dürfen so neugierig sein«, sagte Grant mit einem Lächeln, »aber ich werde Ihre Neugierde nicht befriedigen.«
Die gutmütige Bäckersfrau lächelte zurück und sagte dann: »Na, was es auch sein mag, jedenfalls kann sich die junge Dame glücklich schätzen, dass so ein gut aussehender, großer Gentleman an ihre Tür klopft. Also alles Gute für Sie, Sir.« Damit wandte sie sich wieder ihrem Ofen zu.
Grant trat auf die Straße, band seinen Einspänner los, stieg auf und schnalzte einmal ungeduldig mit den Zügeln.
Das Pferd zog an. Grant fuhr genau, wie die Bäckersfrau es ihm gesagt hatte, und wenige Minuten später stand er schon vor dem Cottage. Es lag am Ende einer Straße und war vor lauter Rosenbüschen fast nicht zu sehen. Als Grant auf den Eingang zulief, wurde ihm plötzlich bewusst wie still es war. Er hielt an. Lauschte. Schwer lag der Duft der unzähligen Rosen in der Luft, die nur von Libellenflügeln bewegt zu werden schien. Die ganze Atmosphäre hatte etwas Unwirkliches, etwas Märchenhaftes.
Schließlich stand er vor der Holztür, holte schon aus, um anzuklopfen, und hielt dabei unbewusst die Luft an. Er merkte, dass er nervös war. Doch dann riss er sich zusammen und pochte mit zwei Knöcheln seiner rechten Hand gegen die Tür.
Von drinnen glaubte er Schritte zu hören, ein Schaben und Kratzen, Flüstern, aber die Tür öffnete sich nicht. Grant wartete noch ein paar
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