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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Gedanken gelesen, sagte Dr. Linley: »Glauben Sie mir, Grant Morgan ist ein feiner Kerl. Hochnäsig und stur kann er sein, aber auch gefühlvoll und mutig. Sie dürfen ihn nicht zu schnell aufgeben, meine Liebe, vor allem wenn man bedenkt was er für Sie empfindet.«
    »Was er für mich empfindet?«, fragte Vivien erstaunt. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    Ein wissendes Lächeln lag auf Dr. Linleys Gesicht. »Ich kenne Grant Morgan schon seit fünf Jahren, und Sie können mir glauben: So hat er sich noch nie über eine Frau aufgeregt.«
    »Sie denken, er liebt mich, und erwarten von mir, dass ich das glaube?« Vivien schnaubte abfällig.
    »Es ist gleichgültig, was Sie glauben, junge Dame. Er liebt Sie, das ist eine Tatsache.« Dr. Linley stand auf und ging zur Tür. Dort angekommen drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Was aus dieser Liebe wird, hängt ganz von Ihnen ab.«
    Grant saß im Billardzimmer, als Linley eintrat. Er hatte das Kinn auf die Unterarme und die Unterarme auf den Rand des Billardtisches gestützt und ließ immer wieder eine der Elfenbeinkugeln scheinbar gelangweilt über den Tisch rollen. Als Dr. Linley eintrat richtete er sich auf. »Wie geht es ihr?«
    »Wenn man bedenkt, was sie alles durchgemacht hat seit Sie sie aus dem Fluss gefischt haben, geht es ihr sehr gut.
    Eine starke Frau, das muss man wirklich sagen.«
    Grant ließ sich seine Erleichterung nicht anmerken, aber er war erleichtert. Dr. Linley war nicht nur ein guter Arzt sondern hatte unter den Damen der Londoner Gesellschaft auch schon viel Erfahrung mit psychischen Beschwerden gewonnen. Grant vertraute ihm. Er stand auf, nahm noch eine Billardkugel und ließ sie mit einer flüchtigen, eleganten Bewegung über den grünen Filz gleiten. Sie landete genau in der gegenüberliegenden Ecktasche. »Warum haben Sie mir nicht gesagt dass die echte Vivien Duvall schwanger war, Linley? Ich hätte es für meine Untersuchungen in dem Fall wissen müssen.«
    »Ich durfte nichts sagen, Morgan«, sagte Dr. Linley in sachlichem Ton. »Miss Duvall hat mir damals klar gemacht dass das Leben des ungeborenen Kindes davon abhängt dass niemand von seiner Existenz erfährt. Es klang alles sehr dramatisch, aber ich habe ihr geglaubt. Sie war im Übrigen gar nicht glücklich, dass sie schwanger war. Es schien mir fast so, als sei sie vor etwas auf der Flucht … oder vor Jemandem.«
    »Sie hätten es mir trotzdem sagen sollen«, sagte Grant nachdenklich. »Jemand will sie umbringen, verdammt und die Schwangerschaft ist vielleicht der Schlüssel zu allem.«
    »Haben Sie eine Ahnung, was mit meiner Praxis geschieht wenn herauskommen würde, dass ich vertrauliche Informationen weitergegeben habe? Das war wahrlich nicht der erste Fall dieser Art den ich hatte. Was meinen Sie, wie viele ›Unfälle‹ dieser Art es in den feineren Kreisen gibt?«
    »Keine Ahnung. Genug, nehme ich an«, sagte Grant mit zynischem Lächeln. Er wusste, dass es bei den Ladies aus gutem Hause durchaus schick war, sich neben dem langweiligen Ehemann noch einen jungen Liebhaber zu leisten.
    Oft kamen die ahnungslosen Ehemänner so an unverhofften Nachwuchs. Zweifellos hätte Linley noch viele Geschichten zu erzählen.
    »Ich verstehe Ihre Lage durchaus, Linley. Aber hier geht es um etwas Wichtigeres als um Prinzipien. Wenn es stimmt, was ich vermute, ist die echte Vivien Duvall schwanger und hält sich in Todesangst versteckt. Auch die Vivien, die Sie heute untersucht haben, ist in Gefahr. Also bitte ich Sie: Wenn Sie mir noch irgendetwas über Ihr damaliges Gespräch mit Miss Duvall sagen können, tun Sie es!«
    »Nun gut, Morgan. Ich will nicht schuld sein, wenn einer der beiden Damen etwas Schreckliches zustößt. Aber bevor ich Ihnen in der Bibliothek die Krankenakte zeige, gestatten Sie mir, dass ich Ihnen einen Rat gebe: Es geht um die junge Dame und um die … äh … Erfahrung, die sie gestern mit Ihnen geteilt hat. Sie ist zwar eine sensible Frau, aber ich glaube nicht, dass sie übermäßig gelitten hat.«
    »Sie dachten wohl, eine Nacht mit mir würde jede Frau in die Flucht schlagen, Doktor«, sagte Grant mit ätzender Stimme.
    »Oh, Sie wären erstaunt, was ein Arzt so alles über Frauen erfährt«, erwiderte Linley mit einem kühlen Lächeln.
    »Manche meiner Patientinnen sind so vornehm, dass sie nicht einmal Worte wie ›Bauch‹ oder ›Brust‹ laut aussprechen würden. Es gibt Frauen, die mir nicht zu sagen wagen, wo ihnen etwas wehtut. Für solche Fälle

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