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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Verbeugung.
    Grant hatte damals gehofft, die Angelegenheit sei damit erledigt, doch seine Begegnung mit Miss Duvall war von der Ballgesellschaft aufmerksam beobachtet worden. Und Vivien hatte in ihrem Wunsch nach Rache die schwelenden Gerüchte nur zu gern geschürt. Sie behauptete, Mr. Morgan habe ihr ein unsittliches Angebot gemacht, das sie rundheraus abgelehnt habe. Dass der begehrte Bow-Street-Runner eine Abfuhr erhalten haben sollte, wurde mit allgemeinem Vergnügen aufgenommen.
    »Er ist wohl nicht ganz so gefährlich, wie man glaubt«, hatte er jemanden sagen hören, »wenn er nicht einmal eine Frau umhauen kann.«
    Grant war immer zu stolz gewesen, um auf die Lügen und Verleumdungen einzugehen. Er wusste, dass über solche Geschichten viel schneller Gras wuchs, wenn man sie ruhen ließ. Trotzdem gab es ihm jedes Mal einen Stich, wenn der Name Vivien fiel. Äußerlich um Gleichgültigkeit bemüht hatte er sich innerlich geschworen, dass Vivien die Lügen, die sie über ihn verbreitet hatte, eines Tages bitter bereuen würde.
    Grant ging zum Fenster seines Schlafzimmers und schob die dunkelblauen Damastvorhänge zur Seite. Ungeduldig hielt er auf der düsteren Straße nach Dr. Linley Ausschau. Kaum eine Minute später hielt eine Mietdroschke vor seinem Haus. Dr. Linley stieg aus und hatte wie immer keinen Hut auf. Sein dunkelblondes Haar glänzte im Schein der Laternen. Der klobige Arztkoffer sah in seiner Hand ganz leicht aus, als er leichtfüßig die Treppen zum Eingang hochkam.
    Grant wartete auf den Doktor an der Tür zum Schlafzimmer. Linley galt als einer der intelligentesten und fortschrittlichsten Ärzte in ganz London, entsprechend gut war sein Ruf. Und dass er außerdem ein gutaussehender Junggeselle unter dreißig war, machte ihn bei manchen Patienten nur umso beliebter. Besonders wohlhabende Damen der Oberschicht bestanden darauf, dass nur Dr. Linley ein Mittel gegen ihre Migräne oder gegen ihre weiblichen Beschwerden wüsste. Grant wunderte sich oft darüber, dass sich Linley so von dieser Art von Patientinnen einspannen ließ, statt sich ernsthafteren Fällen zu widmen.
    Die zwei Männer schüttelten sich kurz und ernst die Hände. Sie mochten sich, fühlten sogar eine innere Verbundenheit da beide durch ihren Beruf mit Licht und Schatten des menschlichen Lebens bestens vertraut waren.
    »Na, Morgan. Sie haben mich von einem schönen Kaffee mit Brandy bei Toms weggeholt und deshalb kann ich nur für Sie hoffen, dass dieser Fall es wert ist. Worum geht’s also? Sie sehen doch ganz gesund aus.«
    »Ich habe einen Gast der Ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert«, sagte Grant, indem er die Schlafzimmertür öffnete und Dr. Linley hineinführte. »Sie wurde vor kaum einer Stunde aus der Themse gezogen. Nachdem ich sie hierher gebracht hatte, war sie für vielleicht zehn Minuten bei Bewusstsein. Merkwürdigerweise kann sie sich an nichts erinnern, nicht einmal an ihren eigenen Namen. Ist so was möglich?«
    Linleys graue Augen verengten sich konzentriert. »Allerdings. Gedächtnisschwund kommt häufiger vor, als Sie denken. Besonders im Alter oder bei unmäßigem Genuss von Alkohol …«
    »Oder bei einem starken Schlag auf den Kopf?«
    Der Doktor pfiff durch die Zähne. »Arme Lady«, murmelte er. »Ich hatte tatsächlich auch schon Fälle von Amnesie nach Kopfverletzungen. Ein Seemann, der in einem Sturm von herunterfallender Takelage getroffen worden war und danach drei Tage ohne Bewusstsein war. Als er erwachte, war er extrem veiwirrt. Er lernte schnell wieder zu laufen, zu schreiben und zu lesen, aber er erkannte erstaunlicherweise weder seine Familie noch seine Umgebung.«
    »Kehrte seine Erinnerung zurück?«
    »Ja, aber erst nach fünf oder sechs Monaten. Ich habe allerdings auch schon von Fällen gehört, bei denen es nur Tage dauerte. Das lässt sich unmöglich vorhersagen.« Linley näherte sich dem Bett mit der Patientin und stellte seinen Arztkoffer auf einen Stuhl. Als er sich über die Bewusstlose beugte, schnappte er vor Überraschung nach Luft. »Miss Duvall?«
    »Sie haben Sie schon einmal behandelt?«
    Linley nickte verwirrt. Sein Gesichtsausdruck verriet Grant dass diese frühere Behandlung ernsthafte Gründe gehabt haben musste.
    »Worum ging es damals?«
    »Sie wissen, dass ich Ihnen das nicht sagen darf.«
    »Das spielt doch verdammt noch mal keine Rolle, wenn sie sich sowieso an nichts erinnern kann.«
    Linley schien von diesem Argument nicht beeindruckt. »Würden Sie bitte

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