Schicksalsmord (German Edition)
Tisch starrten uns beide konsterniert an, nur Frau Saalfelder kicherte laut, als hätte Carola einen guten Witz erzählt. Ich fragte ganz ruhig, ob noch jemand Kaffee wünsche und würdigte Carola keines Blickes mehr. Doch hinterher, nachdem alle gegangen waren, tobte ich. Carola müsse sich in aller Form bei mir entschuldigen, forderte ich, und Dietrich war der gleichen Meinung. Da er bei seiner Tochter mit dieser Forderung auf Granit biss, brachen wir die Beziehung zu ihr ab. Zwei Jahre lang herrschte Funkstille und ich war froh darüber. Dann nahm Dietrich nach unserem Hawaii-Urlaub den Kontakt wieder auf, ohne mich zu fragen.
Er erwähnte es nur ganz beiläufig. „Man muss auch verzeihen können“, sagte er auf meinen Protest hin. Dabei sah er mich an, als sei ich diejenige, die seiner Verzeihung bedürfe. Er behandelte mich zunehmend wie ein Kind, in das man einst große Hoffnungen gesetzt hatte, von dem man nun aber enttäuscht war. Seine Bewunderung für mich schwand, es schien ihm nun geradezu Vergnügen zu bereiten, in meinen angeblichen Wissenslücken herumzustochern. Und mit seiner Bewunderung schwand seine Großzügigkeit, ständig warf er mir Verschwendung vor. Ich wurde immer unglücklicher.
Wenn im Herzen Leere herrscht, findet sich in der Regel bald eine neue Liebe, die diesen Platz auszufüllen trachtet. Für mich kam sie in Gestalt eines umwerfend gutaussehenden Mannes, den ich nur ein paar Straßen von der Kanzlei entfernt eines Morgens in sein Cabrio steigen sah. Er war vom legeren Jackett bis zu den handgenähten Schuhen exquisit gekleidet, blond gesträhnt und dezent gebräunt, und er strahlte mit seinen grünen Augen und sinnlichen Lippen einen hinreißenden, jungenhaften Charme aus. Es mag kitschig klingen, aber ich war wie vom Blitz getroffen. In den folgenden Wochen benahm ich mich wie ein verliebtes Schulmädchen. Täglich erreichte und verließ ich die Kanzlei nun auf Umwegen, immer in der herzklopfenden Hoffnung, mein Idol zu treffen. Bald wusste ich, dass er Professor Roland Rittweger hieß und ein angesehener Historiker und Mittelalterexperte war. Ich war beeindruckt. Von der Tatsache, dass er verheiratet war, wollte ich mich dagegen nicht beeindrucken lassen.
Ich ging nun systematisch vor und schrieb mich an der Uni als Gasthörerin ein. Seine Vorlesungen waren gut besucht und ich registrierte mit Unbehagen, wie er von den Studentinnen angehimmelt wurde. Roland war so etwas wie der Popstar unter den Historikern, er sprach über das Mittelalter, als würde er regelmäßig selbst mit Harnisch und Lanze für die Dame seines Herzens in die Schranken reiten. Und alle im Hörsaal anwesenden Frauen wünschten sich dann, diese Dame zu sein.
Auch ich wünschte es mir, doch es gelang mir zunächst nicht, seine Aufmerksamkeit zu erregen, und ihn unter einem Vorwand anzusprechen, war mir dann doch zu plump.
Für meine Bemühungen, mehr über ihn zu erfahren, erwies sich eine Aushilfskraft in der Bibliothek der historischen Fakultät als ergiebige Quelle. Sie war ein altjüngferlicher Typ und wirkte ebenso angestaubt, wie die alten Folianten in den Regalen, über die sie mit Argusaugen wachte. Ich fragte nach ein paar Quellen, lobte überschwänglich ihre Kompetenz, und schon fraß sie mir aus der Hand. Als ich sie zum Dank für ihre Hilfe zu einem Kaffee einlud, erzählte sie mir alles über Roland Rittweger. Es war höchst aufschlussreich für mich.
Rolands Frau war ebenfalls Professorin und eine gefragte Expertin für Kunstgeschichte mit dem Spezialgebiet Ägypten. Zur Zeit weilte sie für ein Jahr als Gastdozentin in Kairo. Die Ehe stand auf der Kippe. Frau Professor Rittweger hatte zwar über kleinere Eskapaden ihres Mannes hinweggesehen, dann sei es jedoch zu einem ziemlichen Skandal gekommen. Eine Studentin hatte das Ende ihrer Affäre mit Roland Rittweger nicht akzeptieren wollen und sich zur Stalkerin entwickelt. Sie habe eine Schwangerschaft vorgetäuscht, private Feiern durch ihr Auftauchen gestört und nachts bis zu 20 mal bei den genervten Eheleuten angerufen. Man musste ihr Treiben schließlich durch eine einstweilige Verfügung unterbinden. Frau Professor Rittweger habe mit Scheidung gedroht, die endgültige Entscheidung darüber jedoch bis nach ihrem Ägyptenaufenthalt vertagt. Jetzt sei sie bereits seit fünf Monaten fort.
Mir blieben also sieben Monate und ich war fest entschlossen, sie zu nutzen.
Letztendlich habe ich Roland doch angesprochen, mich ganz seriös als
Weitere Kostenlose Bücher