Schicksalsmord (German Edition)
Wort ab. Immer noch zitternd packte ich ein paar Sachen für sie zusammen. „Du bist bald wieder hier“, tröstete ich sie. In Wahrheit musste ich eher mich trösten. In mir begann sich der schreckliche Verdacht breitzumachen, meine Schwester könnte doch etwas mit dem Mord an Dietrich zu tun haben.
Lydia:
Meine Schwester konnte natürlich nicht ahnen, in welche Verlegenheit mich ihr spontaner Besuch gestürzt hatte. Das Verhältnis zwischen Roland und mir war zu diesem Zeitpunkt nicht ganz unproblematisch, und ich war dadurch zutiefst verunsichert und enttäuscht.
Als ich vor vier Wochen mit nur drei Koffern bei Roland eingezogen war, erlebte ich das als eine lang ersehnte Befreiung. Ich befand mich in einem rauschhaften Glückszustand und war fest überzeugt, Roland würde meine Gefühle teilen. Stattdessen zeigte er sich reserviert, zweifelnd und krämerhaft. Er sprach über die Zerstörung seines Rufes, ohne zu bedenken, wie sehr er mich dadurch kränkte. Egoistisch beharrte er auf all seinen Gewohnheiten und dachte offenbar nicht daran, mir Platz in seinem täglichen Leben einzuräumen.
Am meisten traf mich jedoch seine Bemerkung, ich müsse von Dietrich Trennungsunterhalt beziehen. Nicht nur ich mit meiner juristischen Vorbildung, auch Roland wusste zweifellos, dass kein Ehemann verpflichtet ist, die neue Lebenspartnerschaft seiner Noch-Ehefrau zu finanzieren. Ich wollte keinen Unterhalt von Dietrich, ich wollte vom ersten Tage an vor aller Welt offen mit Roland zusammenleben. Er wünschte das aber offenbar nicht und traf mich damit tief. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, er wäre froh, wenn ich wieder ginge. Ich fühlte mich wie ein tollpatschiger Lehrling in der Probezeit, der unbedingt auf die Stelle angewiesen ist. Krampfhaft bemühte ich mich, Roland alles recht zu machen. Ich hatte nicht gelogen, als ich meinem Verteidiger gegenüber behauptete, nicht mit Roland zusammenzuleben. Die Perspektive unserer Partnerschaft war völlig unklar.
Gelogen hatte ich auch nicht, was den Verlauf meiner Ehe mit Dietrich betraf. Dietrich war mir damals als mein Retter erschienen. Nachdem sich mein erster Mann Thomas Gondschar plötzlich von mir getrennt hatte, fühlte ich mich verraten, schutzlos und ausgeliefert, und fürchtete weitere Bloßstellungen durch ihn und Ulla, die dann allerdings zum Glück ausblieben. Dietrich baute mich richtig wieder auf. Er werde nie begreifen, wie man eine so tolle Frau wie mich verlassen könne, sagte er. Natürlich war mir klar, dass er schon lange für mich schwärmte. An eine ernsthafte Beziehung mit ihm hatte ich jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nie gedacht. Es ergab sich ganz plötzlich zwischen uns, er tröstete mich, ich lehnte mich an. Als er mir nach unserer ersten gemeinsamen Nacht ritterlich einen Heiratsantrag machte, war ich zunächst verblüfft. Doch dann erkannte ich die Chance und nahm an.
Die erste Zeit unserer Ehe war tatsächlich glücklich. Dietrich behandelte mich wie eine Kostbarkeit, er bewunderte und verwöhnte mich. Es gefiel mir, wie er mir die Welt zeigte, auch wenn ich gern ein paar Museen und Galerien weniger und dafür mehr vom Nachtleben der von uns bereisten Weltstädte gesehen hätte. Dietrich war äußerst großzügig, er schenkte mir nicht nur den BMW, sondern erlaubte mir auch den Kauf edler, teurer Garderobe. Nachdem ich in dieser Beziehung ziemlich unter dem Geiz meines ersten Mannes gelitten hatte, genoss ich meine neue finanzielle Freiheit in vollen Zügen.
Ich gab meine Tätigkeit in der Kanzlei nicht auf, obwohl Dietrich mir das angeboten hatte. Allerdings arbeitete ich nur noch halbtags und bekleidete nun eine andere Position. Ich war für die Organisation der Arbeitsabläufe der anderen Mitarbeiter zuständig und prägte das Gesicht unserer Kanzlei neu. Das fing schon bei der äußeren Gestaltung an. Neues, elegantes Mobiliar wurde angeschafft, Bilder und Kunstgegenstände wurden in den Räumen platziert. Für unsere Vernissagen gewann ich interessante Künstler und bekannte Musiker. Durch mein Wirken erlebte die Kanzlei eine ungeheure Aufwertung. Dietrich konnte stolz auf mich sein.
Enttäuscht war ich zunächst darüber, dass Dietrich sein wunderschönes Eigenheim seiner Frau überließ. Ich hatte gehofft, dort mit ihm zu leben. Stattdessen einigte er sich mit den Mietern, die die Wohnung über der Kanzlei bewohnten. Das Haus gehörte Dietrich ebenfalls, und nach dem Auszug der Mieter ließ er die Wohnung für uns herrichten. Es
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