Schicksalsmord (German Edition)
natürlich einräumen, dass ich weder seine Frau noch die gemeinsamen Kollegen kennen konnte und mir kein Vorwurf zu machen sei. Auf meine zaghaften Versuche, die positive Seite des endlich Klarheit schaffenden Vorfalls anzudeuten, reagierte er gereizt. Schließlich habe er nicht die Absicht, zum Gespött der Fakultät als Skandalprofessor herumzulaufen.
Heute ist mir klar, dass er den Bruch mit seiner Frau niemals von sich aus herbeigeführt hätte. Seine vagen Versprechen mir gegenüber galten nur für den Fall einer erklärten Trennungsabsicht ihrerseits. Vermutlich hätte er mich nur immer wieder vertröstet.
Am Sonntag teilte Roland mir mit, seine Frau sei ausgezogen und werde umgehend die Scheidung einreichen, und bereits am Montag zog ich bei ihm ein. Am Ziel meiner Wünsche war ich damit jedoch noch nicht angekommen, wie ich bald feststellen musste. Doch ich war entschlossen zu kämpfen, ich würde mich ihm unentbehrlich machen und alles vermeiden, was er als Belastung empfinden könnte. Dafür brauchte ich auch finanzielle Bewegungsfreiheit und an dem Tag, an dem meine Schwester nochmals mit mir reden wollte, war mir zu meinem großen Entsetzen gerade klar geworden, wie dringend ich tatsächlich Geld brauchte.
Ulrike hatte in mehrfacher Hinsicht den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für ihren Besuch gewählt. Am Vorabend war es zwischen Roland und mir auch noch beinahe zu einer ernsthaften Auseinandersetzung gekommen. Es ging um seinen bevorstehenden 40. Geburtstag. Ich plante eine große Feier in seinem Haus, bei der ich erstmals offiziell als seine neue Partnerin in Erscheinung treten wollte. Dafür wurde es meiner Meinung nach höchste Zeit, in den zurückliegenden Wochen waren wir noch nie gemeinsam aufgetreten, was mir jetzt erst richtig zu Bewusstsein kam.
Roland hatte sich zunächst ausweichend zu meinen Vorschlägen geäußert und konfrontierte mich dann mit dem fertigen Plan, seinen 40. mit Kollegen als reinen Herrenabend zu begehen, wovon ich ausgeschlossen bleiben sollte. Meine Enttäuschung darüber machte sich in Tränen Luft, auf die Roland jedoch nur verstimmt reagierte. Ich war klug genug, die Diskussion an dieser Stelle erst einmal zu beenden, doch die Atmosphäre zwischen uns blieb angespannt. Als er Ulrike am nächsten Tag spontan das Gästezimmer anbot, waren mir seine Beweggründe sofort klar: Er wollte nicht mit mir allein sein, um das Gespräch vom Vorabend nicht fortsetzen zu müssen. Die sich daraufhin zwischen uns beiden ausbreitende Eiseskälte hatte nur insofern ihr Gutes, dass Ulrike Roland wirklich lediglich für einen Bekannten halten musste.
Am Sonnabendmorgen ging er mit lässiger Selbstverständlichkeit zum Golfen und gab dabei noch vor, mir damit einen Gefallen zu tun. So könne ich in Ruhe mit meiner Schwester reden, meinte er. Meine Stimmung hatte einen absoluten Tiefpunkt erreicht, als Ulrike schließlich die Küche betrat. Ich hatte das Gefühl, schlimmer könnte es nicht mehr kommen. Dabei begann der eigentliche Alptraum gerade erst.
Ulrike:
Die Tage nach Lydias Verhaftung waren ein einziger Alptraum. Erst aus der wieder einmal erstaunlich gut informierten Presse erfuhr ich, was tatsächlich mit Dietrich geschehen war. Keineswegs war er erschossen worden, sondern einem Giftanschlag zum Opfer gefallen. Der tödliche Cocktail war ihm in einer Tasse Kaffee verabreicht worden. Ich wusste, wie Dietrich seinen Kaffee mochte, türkisch, schwarz und enorm stark, ein Gebräu, hervorragend dafür geeignet, jeden anderen Geschmack zu überdecken. Nun erst begriff ich, weshalb sich die freundlichen Kriminalbeamten schon beim ersten Gespräch für Dietrichs Getränke- und Zubereitungsvorlieben interessiert hatten.
Die näheren Umstände der Beibringung des Giftes, hieß es weiter, ließen eindeutig auf Fremdverschulden schließen. Und wer die Schuldige war, daran bestand für die Boulevardblätter, die mit reißerischen Aufmachern erschienen, kein Zweifel. Gift sei die typische heimtückische Mordmethode der Frauen, hieß es in fast jedem Artikel, als sei damit schon irgendetwas bewiesen. Ein Blatt entblödete sich nicht zu bemerken, die Schwester der Hauptverdächtigen sei Krankenschwester. Zwar wurde nicht behauptet, ich könnte das Mordgift besorgt haben, doch das konnte sich der geneigte Leser selbst zusammenreimen.
Genüsslich wurde im Privatleben meiner Schwester herumgewühlt. Attraktiv, schon einmal geschieden, kinderlos - selbst scheinbar objektive Attribuierungen
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