Schicksalsnacht in Atlantic City (German Edition)
konnte, wurde ihm erst bewusst, als er im Januar den Brief erhielt. Dieser Brief verpflichtete ihn, den Monat Mai am Lake Tahoe zu verbringen, und verschaffte ihm so ungewollt die Zeit, über sein eigenes Leben nachzudenken.
Er wusste nur eins, er wollte in Zukunft sein eigener Boss sein. Er hatte die Bank seines Vaters und seines Großvaters sehr erfolgreich geführt. Die Gewinne in den letzten Jahren übertrafen alle Erwartungen. Aber jetzt sehnte er sich nach persönlichem Erfolg, nicht nur finanziell, sondern auch auf zwischenmenschlicher Ebene. Aber wie konnte er jetzt an sich denken, wenn da ein Kind war, für das er sorgen musste?
Und eine Frau.
So weit war er mit seinen Überlegungen schon in der letzten schlaflosen Nacht gekommen. Nicole würde ihn heiraten, selbst wenn sein Anwalt ihm riet, doch bis nach der Geburt zu warten. In diesem Punkt ließ Devlin nicht mit sich diskutieren.
Vielleicht war er ein Narr. Vielleicht war er altmodisch und unflexibel, aber ein paar Wertvorstellungen waren zu tief in ihm verankert, als dass er sie einfach ignorieren konnte. Dazu gehörte auch, dass sein Kind nicht unehelich geboren werden sollte.
Manchmal empfand Devlin es als sehr bedrückend, dass er in so einer konservativen Umgebung leben musste, beruflich und auch privat. Aber von jemandem, dem man sein Geld anvertraute, erwartete man, dass er Risiken nur insoweit eingehen würde, wie er sie verantworten konnte.
Bei seinen Investitionen hatte er bisher unglaubliches Geschick bewiesen, selbst wenn er durch den Aufsichtsrat immer wieder in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wurde. Auch das war für ihn ein Grund, sich endlich von all diesen Zwängen freizumachen und auf eigenen Füßen zu stehen.
Devlin stieg die zwei Treppen zu dem großen Raum im Dachboden empor. Als er gestern Nacht durch das Haus wanderte, weil er nicht schlafen konnte, hatte er dieses Loft entdeckt, das als perfektes Büro eingerichtet war. An das Schwarze Brett aus Kork waren Fotos geheftet, die von einer Zeit erzählten, als sein Leben noch bunt und sorglos war. Seine Eltern erwarteten zwar von ihm, dass er auf dem College Kontakte knüpfte, die ihm auch später nützlich waren. Aber davon abgesehen hatten sie ihm vollkommen freie Hand gelassen. Das änderte sich allerdings dramatisch nach dem Examen.
In der Nacht war ihm so vieles durch den Kopf gegangen, dass er die Bilder kaum angesehen hatte. Jetzt betrachtete er sie genauer und musste gestehen, dass er nicht mehr viel von seinen damaligen Freunden wusste. Er erinnerte sich, dass sie sich alle sehr gut verstanden hatten, aber wer war sein bester Freund gewesen? Wahrscheinlich Hunter. Vielleicht auch Ryan?
Aber um sich darüber Gedanken zu machen, war noch später Zeit. Er schickte eine E-Mail an seinen Anwalt und wies ihn an, das Formular, das Nicole von ihm erhalten sollte, auszufüllen und ihm wieder zuzufaxen. Dann goss er sich in der Küche eine Tasse Kaffee ein und setzte sich auf die Terrasse, die direkt auf den See hinausging. In der Sonne ließ es sich auch schon zu dieser Jahreszeit aushalten.
Hier würde er es schon einen Monat aushalten können. Er hatte sich vorgenommen, über sein Leben nachzudenken, aber auch Urlaub zu machen, vielleicht hin und wieder sogar zu spielen. Allerdings hatte er nicht mit Nicole gerechnet.
In den letzten Monaten hatte er häufiger an sie gedacht und sich gewünscht, etwas mehr über sie zu erfahren. Offenbar war sie, genau wie er, nur zu Besuch in Atlantic City gewesen. Während ihrer gemeinsamen Nacht hätte er zwar die Gelegenheit gehabt, sich ihre Brieftasche genauer anzusehen, aber er hatte es nicht getan. Immerhin hatten sie ein stillschweigendes Übereinkommen getroffen, dass sie nur diese Nacht miteinander teilen wollten. Beide hatten instinktiv gespürt, dass sie einander in jener Nacht brauchten.
Später hatte er immer wieder an ihren verführerischen Körper denken müssen und ihre vollen weichen Lippen. Sie hatte ihn begehrt und hatte nicht gezögert, ihm das sehr deutlich zu zeigen. Doch sie hatte nicht nur genommen, sondern auch gegeben, sich ihm in einer Art und Weise hingegeben, von der er später immer wieder träumte. Sie war die ideale Partnerin gewesen, im sexuellen, körperlichen Sinn.
Warum sie wohl geweint hatte? Das hatte er sich schon damals gefragt, war aber davon überzeugt gewesen, dass sie es sagen würde, wenn ihr danach zumute war. Aber sie hatte es nicht gesagt. Damals nicht und jetzt auch
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