Schicksalspfad Roman
ernst und ohne einen Anflug von Komik.
»Das gehört zu meinen Aufgaben«, antwortete sie.
Matt nickte, allerdings nicht sehr besorgt. In Wirklichkeit brauchte er sich für nichts zu schämen.
»Ich habe heute das Skript durchgearbeitet«, sagte Matt zwei Nächte später und blätterte in den Seiten. »Das Studio will mich für die Rolle von Jack Fabian. Sie fangen bald mit den Dreharbeiten an. Was bedeutet, ich muss hier raus.«
»Erinnern Sie sich noch, wie Sie zuerst aufwachten und zu mir sagten, sie hießen Jack Fabian?«, fragte Grace ihn.
»Wirklich?«
»Michael Lavender hatte Ihnen das Skript vorgelesen, als Sie noch im Koma lagen. Sie müssen das irgendwie aufgenommen haben.«
»Ich habe wirklich gedacht, ich wäre Jack Fabian?«, fragte Matt mit zuammengekniffenen Augn. »Das ist aber unheimlich.«
»Vielleicht waren Sie dazu vorbestimmt, diese Rolle zu spielen?«
Matt dachte darüber nach. »Haben Sie etwas dagegen, eine Szene mit mir durchzugehen? Die hier, auf Seite zwanzig. Sie spielen Forrester, ja?«
»Ich glaube, wir sollten erst den Arzt fragen«, erwiderte Grace, weil sie spürte, dass Matt sein Gedächtnis auf die Probe stellen wollte. Sie wollte kein Risiko eingehen, dass er sich aufregte. Solche Dinge überließ man besser den Therapeuten und Trainern, die tagsüber der Reihe nach hier auftauchten.
»Ich bin der Arzt«, antwortete Matt, »und ich sage, wenn Matt das tun will, dann sollten wir es zulassen.« Er lächelte sie dabei mit demselben gutmütigen Lächeln an, mit dem er sonst gleichermaßen Freund und Feind auf der Leinwand verführte. Er war wirklich sehr beeindruckend, und Grace spürte, wie seine Persönlichkeit langsam wieder aus der Krankheit auftauchte: sein Charisma als Schauspieler. Vermutlich war er es gewöhnt, sich durchzusetzen, denn alle Leute wollten ihm zu Gefallen sein. Aber man musste ihm auch Grenzen setzen.
»Ich bin die Pflegerin, und Sie sind der Patient«, verbesserte sie ihn. »Möchten Sie nicht lieber bloß reden? Oder fernsehen?«
»Sie verstehen das nicht. Man will, dass ich bei diesem Projekt mitmache. Aber ich muss ihnen erst beweisen, dass ich das auch kann.«
Grace seufzte. Es war wirklich sehr verlockend, mit einem wirklichen Star eine Rolle durchzugehen. Das schien ihr ungewöhnlicher, als ihn zu waschen oder ihm die Fußnägel zu schneiden, und zum ersten Mal wünschte sie sich, sie könnte ihren Wohngenossinnen von den ansonsten vorwiegend ereignislosen Nachtschichten mit Matt erzählen. Aber sie sah Joanne und Cherry kaum noch, die beide in ihre Beziehungen vertieft waren und jetzt die meisten Nächte bei ihren Partnern in der Stadt blieben. Es war, als hätten sie einen Wettbewerb begonnen, wer am verrücktesten verliebt war.
Grace blickte auf das Skript, das Matt ihr gereicht hatte. Sie begann an der Stelle, die Matt ihr anwies: »Das ist zu gefährlich, Jack. Wir können das nicht zulassen.«
»Zu gefährlich für wen?«, fragte Matt. »Für dich oder für mich?«
»Das hier ist wichtiger als du oder die Organisation, Jack. Und genau das scheinst du nicht zu begreifen. Daher entziehe ich dir den Auftrag.«
Darauf folgte eine lange Pause. Grace blickte hoch und sah, dass Matt vor Konzentration die Stirn tief gefurcht hatte.
Grace dachte, sie müsste ihm weiterhelfen. »Es ist zu spät …«
»Es ist zu spät, Dan.« Pause. »Absatz.«
»Sie kennen mich«, sagte Grace.
» Shit .« Matt holte tief Luft. »Es ist zu spät, Frank. Sie kennen mich. Wenn ich einmal etwas anfange, dann bringe ich es auch zu Ende.«
»Wir haben Ihre Hartnäckigkeit immer bewundert, Jack. Das wissen Sie. Aber Befehl ist Befehl.«
Wieder schien Matt sich nicht an den nächsten Satz zu erinnern.
Grace flüsterte: »… ich lasse mir nichts befehlen …«
»Verdammt!«, brüllte Matt sie da an. »Geben Sie mir bitte eine Chance, ja?«
»Entschuldigung«, erwiderte Grace geduldig. Sie hatte mit einem solchen Ausbruch gerechnet und sich aus genau diesem Grund nicht in das Gedächtnistraining einmischen wollen.
Matt schloss die Augen und versuchte sich zu beherrschen. »Ich lasse mir nichts befehlen«, sagte er. »Ich nehme, was ich brauche. Zwingen Sie mich nicht, mir das zu nehmen.«
»Wollen Sie mir drohen, Jack?«
Grace wartete auf die Antwort. Diesmal unterbrach sie Matts Schweigen nicht.
»Lassen Sie mich mal«, murmelte Matt nun und riss Grace das Manuskript aus den Händen. Sein Gesicht war vor Wut und Frustration rot angelaufen. Er las
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