Schicksalspfade
arroganten Überheblichkeit verdiente er es, ein wenig aufgerüttelt zu werden.
B’Elanna hielt sich an einem Felsen fest und nahm erstaunt zur Kenntnis, dass er ein wenig wackelte – sie hatte vermutet, dass diese Felsen hier fest im Boden verankert waren. Der große Stein neigte sich ein wenig zur Seite, sank dann zurück und nahm wieder seine ursprüngliche Position ein. B’Elanna schwamm weiter, setzte den Weg durchs Felsenlabyrinth fort.
Der Einsturz ging so sanft vor sich, dass sie zunächst gar nichts davon bemerkte. Etwas im Wasser deutete auf
Bewegung hin – Sand stieg auf, wie von Geisterhänden bewegt
–, und dann verändert sich oben etwas. B’Elanna hob den Kopf…
Vage Überraschung erfasste sie, als sie spürte, wie sich die Felsen herabsenkten, ganz langsam, als wären sie federleicht.
Ihre Masse drückte sie langsam nach unten, in den
schlammigen und sandigen Grund des Flusses. Der Vorgang hatte nichts Gewaltsames, wirkte überhaupt nicht gefährlich.
Es schien sich eher um eine Liebkosung zu handeln, vorsichtig und behutsam.
Allerdings konnte sie sich nicht mehr bewegen.
B’Elanna geriet nicht in Panik. Ihr blieben noch einige Minuten, bis sie wieder atmen musste. Bestimmt fand sie eine Möglichkeit, sich zu befreien, aufzutauchen und Tom zu verblüffen.
Sie wand sich hin und her, versuchte einen Ansatzpunkt zu finden. Die Steine übten nur einen leichten Druck aus und schienen ihren Bemühungen, sie zur Seite zu schieben, kaum widerstehen zu können. Aber so sehr es B’Elanna auch
versuchte, mit Armen und Beinen – die Felsen hielten sie fest.
Trotzdem fühlte sie keine Furcht. Die Situation hatte etwas so Irreales, dass sich B’Elannas emotionale Reaktion auf ungläubiges Erstaunen beschränkte. Sie rechnete jeden Augenblick damit, dass die Felsen wie in einem Traum zur Seite rutschten und ihr erlaubten, an die Oberfläche zu schwimmen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie begriff: Vielleicht rührten sich die großen Steine auch weiterhin nicht von der Stelle. B’Elanna hatte alles versucht, um ihr granitenes Leichenhemd abzustreifen, ohne dass die Felsen auch nur einen einzigen Millimeter nachgaben. Bald musste sie atmen.
Wenn nicht, würde sie sterben.
Seltsamerweise gab ihr dieser Gedanke keine zusätzliche Kraft. Stattdessen begannen ihre Gedanken, ziellos
dahinzutreiben, und sie gab ihre Bemühungen auf, sich aus dem steinernen Grab zu befreien. Kindheitsbilder zogen an ihrem inneren Auge vorbei, aber im Gegensatz zu vielen anderen Erinnerungen an die Zeit ihres Aufwachsens gingen sie nicht mit Ängsten einher. Warum war sie immer so zornig gewesen? Das erschien ihr jetzt so unnötig und sinnlos. Ihr Vater war fortgegangen und es hatte ihr immer an Freunden gefehlt… Aber ihre Mutter blieb präsent. Sie fehlte nie. Ihre Mutter hatte sie gelehrt, stark zu sein, stärker als die anderen Kinder… und auch klüger… Warum hatte sie den anderen
Kindern gestattet, ihr das Gefühl zu geben, unwürdig zu sein?
Warum hatte sie die anderen Kinder abgewiesen und
vertrieben?
Abgewiesen und vertrieben?
Der Gedanke zuckte in ihr wie ein verzweifeltes, in einer Spinnwebe gefangenes Insekt. Sie hatte sich ihre Isolation selbst geschaffen. Hier am Grund des Flusses, der bald zu ihrem Grab werden sollte, bot sich ihr diese Erkenntnis mit kristallener Klarheit. Sie hatte ihrem klingonischen
Temperament nachgegeben und genau darin lag ihr
Verhängnis.
Sie hätte sich auf eine menschlichere Weise verhalten können. Dann wäre ihr Leben von Schmerz und Kummer frei gewesen. Sie hätte Freunde haben und geliebt werden können.
Warum begriff sie das erst jetzt?
Vage Erinnerungen an ihren Vater regten sich hier und dort in B’Elannas Bewusstsein: Auf Händen und Knien hockte er da und die kleine B’Elanna gluckste vor Vergnügen, während sie auf seinem Rücken saß… er deckte sie zu, gab ihr einen Kuss auf die Wange und wünschte ihr eine gute Nacht… seine kratzige Wange an ihrer… er forderte sie auf, von der Anlegestelle in den See zu springen… er würde sie auffangen und alle Gefahren von ihr fern halten… er würde sie
beschützen und immer lieben…
Warum war er fortgegangen? Warum hatte er ihr nie den Grund erklärt?
Dann fiel ihr ein: Sie hätte Bescheid wissen können. Wenn sie bereit gewesen wäre, die Mitteilungen ihres Vaters an der Akademie zu beantworten. Er hatte ihr angeboten, alles zu erklären. Er hatte den Wunsch geäußert,
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