Schicksalspfade
konnte
Tom darauf hinweisen, jemanden gesehen zu haben, der ihm ähnlich sah. Und wenn sein Vater tatsächlich bei den
Zuschauern gestanden hatte… Dann würde er ziemlich dumm dastehen, weil er es erst jetzt zugab.
Tom fühlte drei Blicke auf sich ruhen. Seine Eltern und Moira warteten darauf, dass er etwas sagte.
»Vielleicht sollte ich heute Abend früh zu Bett gehen«, brachte er schließlich hervor und seine Stimme klang hohl. »Es war ein langer Tag. Wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet…«
Im Anschluss an diese Worte stand er auf und verließ den Raum. Mutter, Vater und Schwester sahen ihm nach.
Das Skilaufen vermittelte Tom ein unmittelbares Gefühl von Geschwindigkeit und Gefahr, aber diese Empfindungen
verblassten natürlich neben denen, die in ihm entstanden, wenn er ein Raumschiff flog.
Schon als kleiner Junge war Tom in die Rolle des Piloten geschlüpft. Zuerst hatte er mit den Simulatoren geübt, die seinem Vater zur Verfügung standen, um später die Kontrollen kleiner Gleiter zu bedienen, die für Kinder und
Heranwachsende bestimmt waren. Sie mussten in einer
bestimmten Höhe fliegen, in bestimmten Transitkorridoren.
Tom wurde oft gerügt und auch bestraft, weil er gegen diese Regeln verstieß. Als Jugendlicher gewann er mehrere Shuttle-Rennen und auch dabei ging er immer bis an die Grenzen der Vorschriften.
Aber erst an der Starfleet-Akademie begriff er, was es bedeutete, ein mit Warpgeschwindigkeit fliegendes
Raumschiff zu steuern. Natürlich handelte es sich dabei nicht um physische Empfindungen – Trägheitsabsorber sorgten dafür, dass der Körper überhaupt nichts von den unglaublichen Geschwindigkeiten bemerkte. Es war vielmehr eine emotionale Reaktion, die Tom kaum beschreiben konnte.
Sie hatte etwas mit Kontrolle zu tun. Er brauchte nur seine Finger über die Schaltflächen streichen zu lassen und schon entfalteten sich gewaltige Kräfte – weil er, Kadett Tom Paris, es so wollte. Es war ein berauschendes Gefühl.
Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, Odile sein Geschick zu demonstrieren. Ihre Pilotenausbildung begann erst im nächsten Jahr, da es ihr an Toms Erfahrung mangelte, und sie brachte der angekündigten Vorführung großes Interesse entgegen. Allerdings neigte sie mehr als Tom dazu, die Vorschriften zu beachten, und deshalb wuchs ihre Unruhe, als sie mitten in der Nacht durch die dunklen Korridore von Breyer’s Hall schritten – so hieß eins der vielen Gebäude des Akademie-Komplexes.
»Du hast doch die Erlaubnis für den Flug, n’est-ce pas?«
»Natürlich. Ich habe alles mit meinem Fluglehrer
Commander Barns abgesprochen.«
»Und warum sind wir ausgerechnet um diese Zeit
unterwegs?«
»Weil die Shuttles in der Nacht nicht benutzt werden.«
»Es fühlt sich nach einer heimlichen Sache an. Wir
schleichen hier durch die Flure…«
»Schleichen? Wir sind zum Transporter unterwegs.«
»Es ist dunkel, wir flüstern und niemand befindet sich in der Nähe. Alles deutet auf etwas… Verbotenes hin. Darauf, dass wir in Schwierigkeiten geraten könnten.«
Tom sah zu Odile, bewunderte kurz ihr Profil und hätte sich fast dazu hinreißen lassen, sie zu umarmen und ihre vollen rosaroten Lippen zu küssen. Er seufzte.
»Es ist ganz einfach. Wir beamen uns an Bord eines Shuttles.
Wir verlassen das Sonnensystem und ich zeige dir den Sprung in die Warpgeschwindigkeit. Anschließend kehren wir wieder zurück. Das ist alles.«
Kurze Stille folgte, als Odile durch den leeren Korridor blickte. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei«, sagte sie und Tom ging mit einem leisen Lachen über ihre Bedenken hinweg.
Wenige Minuten später materialisierten sie an Bord eines der Starfleet-Shuttles, die der Akademie gehörten, sich in einem stationären Orbit befanden und Ausbildungszwecken dienten.
Dieses kleine Raumschiff kannte Tom gut – er hatte es schon oft geflogen. Entgegen den Vorschriften hatte er dem Shuttle einen weiblichen Spitznamen gegeben, natürlich insgeheim, um keine Kadettinnen zu verärgern, die nichts davon hielten, dass man Raumschiffen Frauennamen gab. Er verstand ihre Gefühle und begegnete ihnen mit einer gewissen Anteilnahme, aber es handelte sich um eine alte, stolze Tradition. Indem Tom sie fortsetzte, fühlte er sich mit Kapitänen und
Navigatoren früherer Jahrhunderte verbunden.
Er nannte den Shuttle Tess. So lautete der Name einer jungen Frau, die er während seines ersten Jahrs an der High School verehrt hatte, wenn auch nur von
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