Schicksalspfade
dass Neelix als Letzter an die Reihe kam. Er brauchte seine ganze Geduld, um sich auf angemessene Weise für seine Schwestern zu freuen, als sie ihre wichtigsten Geschenke in Empfang nahmen.
Seine Eltern erwiesen sich als sehr großzügig und jedes Mädchen bekam etwas Wertvolles: ein makelloser Edelstein für Raxel, Ferien auf Talax für Mixin, eine wunderschöne Skulptur für Alixia, ein edles Parfüm für Xepha und ein seidenes Kleid für Melorix.
Schließlich wurde es Zeit für Neelix. Seine Eltern lächelten und meinten, alle müssten nach draußen gehen, um Neelix’
Geschenk zu sehen. Das Herz pochte ihm bis zum Hals empor
– draußen würde ein Schweber auf ihn warten. Noch an diesem Abend würde er damit zu Vaxi fahren.
Sein Vater öffnete die Tür und alle gingen hinaus. Neelix’
Augen brauchten einige Sekunden, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und zuerst sah er nur ein großes Etwas auf dem Hof. Er näherte sich dem Objekt und bemerkte, dass seine Eltern und Schwestern hinter ihm zurückblieben.
Es war kein Fahrzeug.
Es handelte sich vielmehr um eine große alte Kanone, von einer Art, wie man sie vor über hundert Jahren verwendet hatte. Solche Antiquitäten waren sehr selten, was bedeutete: Es hatte seine Eltern sicher große Mühe gekostet, dieses Exemplar zu finden.
Aber es war kein Hover-Fahrzeug. Und er konnte wohl kaum erwarten, Vaxi damit zu entzücken.
Er drehte sich um und versuchte zu lächeln. »Ich bin
überwältigt«, sagte er, was der Wahrheit entsprach. »Es ist zu viel…«
Sein Vater strahlte. »Sie ist vollständig restauriert und in tadellosem Zustand – abgesehen davon, dass man natürlich nicht mit ihr schießen kann. Die Feuerkraft einer solchen Kanone wäre viel zu groß.«
»Natürlich.« Neelix zögerte und suchte nach angemessenen Worten. »Sie ist wunderschön. Ich habe viel über die Kanonen der Xeno-Klasse gelesen. Zu ihrer Zeit galten sie als technologisches Wunder.« Eine weitere Pause. »Ich kann euch gar nicht genug danken.«
»Wir wussten, dass du dich freuen würdest«, sagte seine Mutter. »Dein Vater hat monatelang danach gesucht.«
»Ihr hättet euch nicht solche Umstände machen sollen. Ein so bemerkenswertes Geschenk verdiene ich gar nicht.«
»Wir sind stolz auf dich, Neelix«, sagte sein Vater und lächelte. »Wir wollten dir zeigen, wie sehr.«
»Ich fühle mich geehrt und werde versuchen, den in mich gesetzten Erwartungen gerecht zu werden.« Die Worte klangen hohl in Neelix’ Ohren. Das Gespräch verlor alle spontanen Elemente und wurde zu einem bloßen Austausch von
Plattitüden. Er wollte fort, aber stattdessen ging er zu seinem Vater und legte ihm in einer traditionellen talaxianischen Geste den Kopf an die Brust. Diesen Vorgang wiederholte er bei seiner Mutter und sie strich ihm liebevoll über die
Haarbüschel.
»Ich gehe jetzt auf mein Zimmer und möchte dort noch mehr über Xeno-Kanonen lesen. Ich danke euch sehr und habe euch lieb.«
Ungelenk wich er zurück, lächelte schief und winkte, bis er das Haus erreichte. Dann floh er mit gemischten Gefühlen in sein Zimmer. Wie konnte er es wagen, enttäuscht zu sein? Er gehörte zu den glücklichsten Leuten auf Rinax. Seine Familie überschüttete ihn geradezu mit Liebe. Er war klug, gesund und kompetent. Die Zukunft bot zahllose Möglichkeiten. Er sollte jeden einzelnen Tag seines Lebens in vollen Zügen genießen.
Doch die bittere Enttäuschung fraß sich wie Säure durch sein Inneres, tilgte alle positiven Empfindungen und ließ nur Elend übrig. Seine Phantasiebilder in Hinsicht auf Vaxi zersplitterten wie ein Spiegel, der auf den Boden fiel und zerbrach. Er schloss die Augen und stellte sich Vaxi vor, deren
beigefarbene Flecken gar nicht anmutiger sein konnten. Die gelben, fast weißen Augen gaben ihr etwas Mystisches. Ihre Stimme war wie das Schnurren einer Kimkatze, kam einer zärtlichen Melodie gleich.
Vaxi, Vaxi…
»Neelix… Neelix…«
Ruckartig hob er den Kopf. Hatte er Halluzinationen? Oder nannte wirklich jemand seinen Namen? Wieder erklang die Stimme. »Neelix… Öffne das Fenster.«
Verwirrt blickte er nach draußen. Die Überraschung war so groß, dass er es zunächst kaum fassen konnte.
Vaxi stand dort und rief einmal mehr seinen Namen. »Neelix, ich muss mit dir reden. Öffne das Fenster.«
Neelix hantierte nervös am Schloss und es dauerte einige Sekunden, bis es ihm gelang, das Fenster zu öffnen. Warmer Wind strich ihm über die Wangen, als er
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