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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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aus vollem Hals, um Wix zu erschrecken und ihm seine Verzweiflung zu zeigen.
    Wix reagierte – er sprang auf und wich besorgt an die Wand zurück. Aber nach dieser ersten Reaktion schien seine Entschlossenheit noch weiter zu wachsen und er nahm wieder Platz.
    Das Schreien hatte Neelix’ brennenden Muskeln nicht
    geholfen. Sie schmerzten jetzt noch mehr als vorher, so als kratzte jemand mit Sand darüber hinweg. Mit heißem Sand.
    Mit Sand, der über Flammen erhitzt worden war. Winzige, punktförmige Feuer bohrten sich durch sein Inneres, brannten und brannten…
    Er brach in Tränen aus. Nicht eine weitere Minute konnte er solche Schmerzen ertragen, geschweige denn – was hatte Wix gesagt? – Tage. Tage! Nein, das hielt er nicht aus. Bestimmt starb er; der Tod war ihm sogar lieber als dies. Tränen strömten ihm über die Wangen und er war sicher (nun, nicht sicher, in keinem Punkt gab es mehr Sicherheit, aber er wagte zumindest zu hoffen), dass Wix Mitleid mit ihm hatte und ihn befreite, wenn er sein Elend sah. Und dann würde er sich Kristalle beschaffen, nicht viele, nur einige wenige, um den Schmerz zu lindern. Anschließend würde er bei dieser Sache auf seine Weise vorgehen, sich die Kristalle langsam
    abgewöhnen, nach und nach, nicht auf diese abrupte Weise, die den Körper in Aufruhr versetzte.
    Doch Wix machte keine Anstalten, ihm zu helfen, saß einfach nur da und sah ihn aus klaren, orangefarbenen Augen an.
    Drei Tage verbrachte Neelix in der Hölle. Wenn er zurücksah
    – er versuchte, sich nicht daran zu erinnern, aber manchmal ließ es sich kaum vermeiden –, fragte er sich, wie er überlebt hatte. Es war überhaupt nicht sein Wunsch gewesen zu
    überleben. Immer wieder hatte er Wix angefleht, ihn zu töten, eine Waffe an seinen Kopf zu halten und ihn von den Qualen zu befreien. Aber dieser Bitte kam Wix ebenso wenig nach wie den anderen.
    Jede Minute dehnte sich zu Stunden und die Stunden
    dauerten Tage. Er erlebte Albträume aus Schmerz und
    Halluzinationen, sah ein wildes Durcheinander aus Damonen mit blutunterlaufenen Augen, deren Heulen von ihm selbst stammte. Er sah arme Seelen, die auf alle nur erdenklichen Arten gefoltert wurden. Er sah den Mann, den er vor einer Ewigkeit in der Hütte angetroffen hatte; er sah, wie man ihm die Füße verbrannte, und hörte seine Schreie. Er sah seine Eltern und Schwestern, wie sie verbrannten, wie sich ihre Körper auf molekularer Ebene auflösten, und dieser grässliche Augenblick dehnte sich in die Länge, ohne jemals zu enden; ihre schmerzerfüllten Schreie klangen ungehört durch die Sphäre des Leids.
    Die Zeit verging nicht. Es gab nichts, keine Realität, kein Schiff, kein Universum, nur die Pein, die Neelix aufzehrte, ohne ihn umzubringen. Er sehnte sich nach dem Tod, nach dunklem Nichts, das ihn von diesen unerträglichen Qualen befreite, aber die einzige Konstante war der Schmerz, unvergänglich und ewig.
    Er zappelte in seinen Fesseln, wie ein an Land geworfener Fisch, der an der Luft erstickte. Seine Kehle war wund vom Schreien. Die Nässe von Schweiß und Urin klebte an ihm. In einem dauernden Wechselbad spürte er eisige Kälte und die Hitze hohen Fiebers. Wenn er überschnappte… Dann fand sein Gehirn vielleicht eine Möglichkeit, mit diesem Entsetzen fertig zu werden. Aber unglücklicherweise blieb er bei Verstand und sich der Situation bewusst. Er blieb Neelix und litt.
    Manchmal merkte er, dass sich Wix in der Nähe befand, ihm das Gesicht mit einem feuchten Handtuch abwischte, dann und wann kühle Flüssigkeit zwischen seine spröden Lippen
    tröpfeln ließ. Einmal schmeckte er etwas Scharfes, das brannte und Übelkeit schuf, als es den Magen erreichte. Mit Galle kehrte es durch die Speiseröhre nach oben zurück. Blut tropfte dort aus seinen Handflächen, wo er die Fingernägel tief hineingebohrt hatte, ein instinktiver Versuch, den Fokus des Schmerzes zu verschieben. Nichts von alledem verhinderte, dass sein Körper von innen her verbrannte.
    Die Agonie war total und unausweichlich, ein brennender Koloss, der alles vernichtete. Er kannte weder Hunger noch Durst oder Erschöpfung. Er steckte an einem Spieß überm Feuer, brannte und brannte.
    Er erinnerte sich nicht daran, das Bewusstsein verloren zu haben.
    Irgendwann hörte er, dass Wix zu ihm sprach, seinen Namen nannte. »Neelix… Neelix… öffne die Augen… Neelix…«
    Neelix wollte die Augen nicht öffnen. Sie schienen
    verschweißt zu sein, zumindest stark verkrustet. Er

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