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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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auch in Jahrhunderten des Friedens nicht einfach so verloren ging.
    Fünfzehn Runden. Drei Punkte an seinen Füßen fühlten sich wie drei heiße Kohlen an, die sich in die Knochen brannten.
    Chakotay stolperte kurz und nahm seine ganze Willenskraft zusammen, um weiterzulaufen. Die letzte Runde hatte er überstanden, indem er Visionen der Heimat beschwor.
    Vielleicht konnten sie ihm bis zum Schluss helfen.
    In der Vergangenheit waren Angehörige seines Volkes immer wieder gequält und gefoltert worden, auch mit glühenden Kohlen. Die europäischen Eroberer kannten sehr
    eindrucksvolle Methoden, um zu strafen und ihre Autorität über die »Wilden« zu zeigen, die auf dem Land lebten, das sie für sich haben wollten. Entsprechende Geschichten hatte Chakotay von Kindesbeinen angehört.
    Aber auch sein Volk kannte sich mit solchen Techniken gut aus und war bereit gewesen, immer wieder Gebrauch davon zu machen – die Europäer hatten die Grausamkeit nicht für sich gepachtet. Bestimmte Geschichten erzählten von Gefangenen, die über Monate und manchmal sogar über Jahre hinweg
    gefoltert worden waren. Manchmal hatte man den Gegner so gefesselt, dass er einen »Ball« bildete, und der wurde auf dem Platz hin und her gestoßen, bis der Gefesselte starb. Sehr einfallsreich.
    Sechzehn. Den Schmerz auf Distanz halten. Ihm nicht
    nachgeben, denn sonst würde er unerträglich werden. Die Aufmerksamkeit anderen Dingen widmen.
    Bei Chakotays Volk gab es mehrere Bräuche, die der
    Selbstkasteiung dienten. Adlige Frauen führten zum Beispiel ein Ritual durch, bei dem es darum ging, die Zunge mit einem Dorn zu durchbohren und anschließend einen Strick durchs Loch zu ziehen. Adlige Männer standen ihnen in nichts nach, durchbohrten ihre Vorhaut und ließen Blut auf Papier tropfen, das sie dann als Gabe für die Götter verbrannten.
    Hinzu kamen rituelle Hinrichtungen, das Herausschneiden von Herzen, Steinigungen und Eviszerationen. Chakotays Vorfahren hatten kaum das Recht, den Europäern übermäßige Gewalt vorzuwerfen.
    Siebzehn. Der Schmerz beeinträchtigte inzwischen seine Fähigkeit, sich auf andere Dinge zu konzentrieren.
    Grausamkeit. Ging es Starfleet darum? Was sollte mit dieser Gemeinheit erreicht werden? Bereitete es Nimembeh irgendein perverses Vergnügen, auf diese Weise seine Macht über die Kadetten zu demonstrieren? So erschien es Chakotay, seit er an der Akademie eingetroffen und Nimembeh zugeteilt worden war. Jede Vorbereitungsgruppe bestand aus zwanzig Kadetten.
    Im Verlauf von zwei Wochen sollte der Ausbilder sie in eine disziplinierte, gut aufeinander abgestimmte Gruppe
    verwandeln, bevor das erste Akademie-Semester begann.
    Von Anfang an gewann Chakotay den Eindruck, dass es
    Nimembeh auf ihn abgesehen hatte. Er wies dem jungen Mann besonders unangenehme Aufgaben zu und bestrafte ihn streng, wenn er seinen Erwartungen nicht gerecht wurde – was
    praktisch immer der Fall war. Dieser zermürbende Fünf-Kilometer-Lauf stellte nur eine der disziplinarischen Maßnahmen dar, die Chakotay – als einziges Mitglied seiner Gruppe – hinnehmen musste.
    Nimembeh mochte ihn also nicht. Aber jetzt fehlten nur noch drei Runden, und er würde dem Ausbilder zeigen, dass er sich nicht so leicht unterkriegen ließ. Was auch immer sich der verdammte Sadist für ihn einfallen ließ – Chakotay wollte es ertragen.
    Achtzehn Runden. Jeder Schritt schickte Dolche aus Schmerz von den Füßen zum Gehirn und Chakotay suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, damit fertig zu werden. Er begann zu singen, erinnerte sich an Lieder aus seiner Kindheit, an wehklagende und beschwörende Weisen, die den Geistern galten und Gutes für die Zukunft verheißen sollten. Es war natürlich dumm, aber er erinnerte sich an das beruhigende Gefühl, das ihm der traditionelle Gesang des Stammes bei den feierlichen Anrufungen der Geister vermittelt hatte. Als er sich nun auf jene Lieder besann, kehrte die Ruhe in ihn zurück.
    Weiter vorn, am Ende der Laufbahn, stand jemand und
    zeichnete sich als Silhouette vor dem Licht der untergehenden Sonne ab. Es war Nimembeh. Den dürren Körper und kahlen, dunkelhäutigen Kopf hätte Chakotay überall erkannte.
    Bestimmt wollte er sehen, wie der Kadett zusammenbrach, aber Chakotay war nicht bereit, ihm einen solchen Gefallen zu erweisen. Er brachte die Kurve der Laufbahn hinter sich, ohne einen Blickkontakt herzustellen, sah das dunkle, ernste Gesicht nur aus dem Augenwinkel.
    Neunzehn. Noch eine Runde. Eine

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