Schicksalspfade
er als lähmend. Er hatte mit der Ausbildung an der Akademie begonnen, um einem solchen Schicksal zu
entgehen. Wie konnte er so unterwürfig in die Welt seiner Eltern zurückkehren?
Den ganzen Sommer über rang er mit der Entscheidung,
während er sich mit seinen Freunden vergnügte. Er leistete ihnen Gesellschaft, als sie im Gras lagen, zum Nachthimmel aufsahen, die beiden Monde beobachteten, über ihre
gemeinsame Kindheit sprachen und Pläne für die Zukunft schmiedeten.
Letzteres weckte vages Unbehagen in Chakotay. Alle seine Freunde – wie auch seine Eltern und Philicia – schienen sich nichts mehr zu wünschen, als auf diesem Planeten zu bleiben, einen Lebenspartner zu finden, eine Familie zu gründen und den ganzen Kreislauf von vorn zu beginnen. Damit wollte sich Chakotay nicht begnügen.
Aber welche Alternativen hatte er? Es fiel ihm schwer, sich etwas anderes vorzustellen, als auf Trebus zu bleiben oder zur Akademie zurückzukehren. Er hatte von umherziehenden
Händlern gehört, von Vagabunden, die von Stern zu Stern reisten, ein ungebundenes Leben führten und sich vom
Sonnenwind durchs All treiben ließen. Und dann die Kapitäne von Frachtern. Sie brachten Güter von einem Sonnensystem zum anderen, Erz, medizinische Ausrüstungen und vieles mehr. Ständig waren sie unterwegs und gewährleisteten das Überleben von Personen, die auf lebensfeindlichen Planeten oder auf Welten mit nicht ausreichenden natürlichen
Ressourcen lebten.
Konnte Chakotay an so etwas Gefallen finden? An einem nomadischen Leben im All, an einer rastlosen Existenz, ohne Wurzeln, ohne festen Halt? Er bezweifelte es. Aber was kam sonst in Frage? Würde er jemals etwas finden, das ihn zufrieden stellte? Er bedauerte zutiefst, nicht mit dem Kopf voran zur Welt gekommen zu sein, wie alle anderen – er war bereits widerspenstig geboren.
Schließlich bat er seinen Vater, ihm bei der Entscheidung zu helfen. Eigentlich wollte er, dass sie jemand anders für ihn traf.
Er war zu jung und zu unerfahren, um sie selbst zu treffen.
Allein kam er nicht weiter; er brauchte Hilfe.
»Ich werde deinen Rat beherzigen, wie auch immer er lauten mag«, sagte er eines Tages im Hochsommer zu Kolopak. Die Luft flirrte über dem heißen Boden und die Tiere waren still, suchten im Schatten Zuflucht vor der lodernden Sonne.
Chakotay vertraute darauf, dass sein Vater die richtige Entscheidung traf. Hatte er nicht über viele Jahr hinweg seinem Sohn beizubringen versucht, wie er leben sollte?
Doch Kolopak blinzelte im hellen Schein der Sonne und zögerte, während Chakotay spürte, wie ein Schweißtropfen an der linken Seite des Nackens herabrann, das Schulterblatt erreichte und den Weg über den Rücken fortsetzte. Nach einer Weile drehte sich sein Vater zu ihm um und Liebe glänzte in Kolopaks Augen, als er seinen Sohn musterte.
»Es steht mir nicht mehr zu, Entscheidungen für dich zu treffen«, sagte er. »Jetzt musst du deinen Weg selbst wählen, denn nur du kannst ihn beschreiten.«
Enttäuschung erfasste Chakotay. Jetzt, da er einen Rat brauchte, wollte ihm sein Vater keinen geben! Bestimmt war hier eine grausame Ironie des Schicksals am Werk. Sein ganzes Leben lang hatte er sich über die von seinem Vater ausgeübte Kontrolle geärgert und jetzt fehlte sie plötzlich, als er sie akzeptieren wollte.
»Aber ich weiß nicht, welchen Weg ich nehmen soll. Das ist ja gerade das Problem.«
»Such in dir selbst. Dort findest du die Antwort.« Und im Anschluss an diese Worte ging Kolopak fort.
Chakotay wusste, was er meinte. Er schlug seinem Sohn vor, mit einer Visionssuche zu beginnen, mit Hilfe des Akoonah, einer Technik, die einem dabei helfen sollte, das Unbewusste zu erforschen. Chakotays Vorfahren hatten zu diesem Zweck gefastet und starke Halluzinogene geraucht; heute benutzten die Stammesangehörigen einen neuroelektrischen Stimulator, um das gleiche Ziel zu erreichen.
Chakotay hatte die Visionssuche immer abgelehnt, denn sie war Teil der Tradition, die er ablegen wollte. Aber heute, angesichts der Unschlüssigkeit, mit der er sich schon seit einer ganzen Weile konfrontiert sah, wirkte sie verlockend. Kurz entschlossen suchte er das Habak auf, ein kleines Zimmer im Haus, das der Meditation und der Erforschung des inneren Selbst diente.
Sein Vater hatte ihn oft in jenen Raum geführt, ihm Artefakte gezeigt und Rituale erklärt. Chakotay war nie bereit gewesen, mehr als nur mit einem halben Ohr zuzuhören, und er fragte sich, ob er sich
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