Schicksalspfade
»Man hat mich vom Fillmore-Flügel hierher verlegt, weil einige Kadetten des dritten und vierten Jahrs Einzelzimmer bekamen.
Nun, allein habe ich mich ohnehin einsam gefühlt. Es ist bestimmt angenehm, einen Zimmergenossen zu haben. Was sind deine Interessen? Hoffentlich spielst du Schach; ich glaube, ich könnte alles an einem Zimmergenossen ertragen, nur nicht, dass er kein Schach spielt. Und was ist mit Musik?
Kennst du bolianische Musik? Ich habe gehört, dass man sich daran gewöhnen muss, aber wenn man erst einmal mit den Dissonanzen vertraut ist, möchte man sie nicht mehr missen.
Du hast nicht zufällig Snacks hier, oder? Durch den Umzug bin ich halb verhungert.«
Chakotay stöhnte innerlich. Wie sollte er diesen
schwatzhaften Narren ertragen? Von jetzt an durfte er mit keiner ruhigen Minute mehr rechnen. Er hielt es für besser, sofort die Grenzen zu ziehen. »Ich habe keine Snacks, spiele kein Schach und halte nichts von Musik. Offenbar haben wir kaum etwas gemeinsam. Wenn du beantragen möchtest, einem anderen Zimmergenossen zugewiesen zu werden, so erhebe ich keine Einwände. Es wäre für uns beide besser.«
Es waren harte Worte und Chakotay fühlte sich ein wenig schuldig, aber sie entsprachen der Wahrheit.
Doch Chert blieb völlig unbeeindruckt. »Kein Problem, kein Problem. Ich bringe dir das Schachspielen bei und mache dich ganz langsam mit bolianischer Musik vertraut, sodass du es überhaupt nicht merkst. Es wird nicht lange dauern, bis du mich bittest, dir etwas vorzuspielen. Außerdem werde ich von jetzt an dafür sorgen, dass wir immer genug Snacks haben. Ich mag Süßes, und du?«
»Welche Kurse hast du belegt?«, fragte Chakotay und hoffte, dass er diesen bombastischen Burschen nicht auch in der Klasse aushalten musste.
»Thermodynamik, technische Analyse, Duonetisches
Systemdesign und Warpfeld-Theorie«, antwortete Chert
überschwänglich. »Ich habe mich für die technische Laufbahn entschieden.«
Das waren gute Nachrichten für Chakotay, denn es bedeutete, dass sich ihre Wege nicht im Klassenzimmer kreuzten. Und wenn er diesen Raum nur benutzte, um zu schlafen… Dann brachte er das Jahr vielleicht hinter sich, ohne diesen schnatternden Idioten umzubringen.
Am Ende jenes Jahres beschloss Chakotay, die Starfleet-Akademie zu verlassen. Er hatte einen ganzen
Ausbildungszyklus damit verbracht, die Starfleet-Regeln zu beachten, und er wollte nicht auch die nächsten drei Jahre auf diese Art verbringen. Er hatte härter gearbeitet und sich mehr Mühe gegeben als alle anderen, aber man meldete ihn immer wieder, weil er diese oder jene Vorschrift nicht ganz genau beachtet hatte. Dieser Umstand besorgte selbst seinen Zimmergenossen Chert. »Du musst vorsichtiger sein, wenn du den Abschluss schaffen willst. Warum fällt es dir so schwer, auf Einzelheiten zu achten? Ich mache gern das Bett für dich, aber ich kann dir nicht auf Schritt und Tritt folgen, um zu gewährleisten, dass du dich an alle Regeln hältst. Möchtest du einen Krapfen?«
Chakotay schwor sich, dass sein erstes Jahr an der Akademie sein letztes sein würde. Bei der Rückkehr nach Trebus im Juni wollte er seine Absicht verkünden, nicht nach San Francisco zurückzufliegen. Er wusste nicht genau, was er mit seinem Leben anstellen sollte, aber bestimmt fiel ihm etwas ein.
Er wandte sich tatsächlich mit einer entsprechenden
Mitteilung an seine Eltern, als er heimgekehrt war. Am Abend seiner Rückkehr fand ein Fest statt. Tische standen auf der Wiese, beladen mit Speisen aller Art. Chakotays Eltern unterstützten ihren Sohn natürlich. »Wir haben nie gewollt, dass ein Starfleet-Offizier aus dir wird«, sagte seine Mutter.
»Dein Platz ist hier, bei deinem Volk, das an den alten Traditionen festhält. Es wird Zeit für dich, daran zu denken, eine Frau zu nehmen. Ich habe bemerkt, dass Philicia dich beobachtet. Sie ist hübsch und intelligent. Du solltest sie kennen lernen.«
Chakotay seufzte. Als Kinder hatten Philicia und er
zusammen gespielt. Sie war nett, zugegeben, aber er brachte ihr rein freundschaftliches Interesse entgegen. Er kannte sie als engstirnig und einfallslos; Philicias Weltbild reichte nur bis zu ihrem Platz im Stamm auf diesem Planeten. Er konnte sich kaum vorstellen, ein ganzes Leben mit einer solchen Person zu verbringen.
Was sollte er anstellen, wenn er nicht zur Akademie
zurückkehrte? Den Gedanken, auf Trebus zu bleiben und dabei zu helfen, die Traditionen seines Volkes zu bewahren, empfand
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