Schicksalspfade
lächelte gern, obwohl sein Vater sich bemühte, ihn Zurückhaltung zu lehren.
»Wir gehen alle«, sagte Tuvok. »Aber erst, wenn ihr euch konzentriert und eure Emotionen unter Kontrolle gebracht habt. Ich möchte nicht, dass eure Mutter und euer Bruder diesen unangemessenen Eifer sehen.«
Er beobachtete, wie sich die Jungen alle Mühe gaben, ihm zu gehorchen. Beide schlossen die Augen und atmeten tief durch.
Sek schien tatsächlich eine gewisse emotionale Kühle zu erreichen, aber ein verräterisches Zucken in Variths
Mundwinkeln wies auf Heiterkeit hin.
»Wir gehen erst dann zu Mutter, wenn du dich ganz unter Kontrolle hast, Varith«, sagte Tuvok.
Daraufhin ballte Varith die kleinen Hände zu Fäusten und seine Lippen bildeten eine dünne Linie. Dann öffnete er die Augen und sah Tuvok an, so als wollte er sagen: Ich habe mich unter Kontrolle, Vater.
Tuvok wusste natürlich, dass geballte Fäuste und
zusammengepresste Lippen nicht genügten, um Gefühle zu beherrschen. Aber Varith gab sich Mühe und vielleicht konnte man nicht mehr von ihm erwarten. Er wandte sich von den Kindern ab. »Kommt«, sagte er und führte sie in einen langen Flur, der von den Empfangszimmern des Hauses zum privaten Bereich führte.
Sie wohnten ganz dicht am Rand der Wüste, denn Tuvok
mochte die endlose Weite aus rotem Sand. Er wurde nie müde, in ihre Tiefen zu blicken, denn das schenkte ihm Ruhe.
Vor dem großen Fenster des Flurs blieb er stehen und wandte sich seinen Söhnen zu. »Seht euch die Wüste an«, sagte er.
»Ihr Anblick wird eurem Selbst Frieden bringen.«
Die Jungen sahen gehorsam über die weite Ebene hinweg und zu den Bergen, die dunkel in der Ferne aufragten. Der Seleya lag hinter diesem Gebirge. Tuvok hatte den heiligen Berg nie erblickt, hatte nie die bei den Vulkaniern so beliebte Pilgerreise unternommen. Irgendwann würde er aufbrechen, um das schwarze Massiv zu sehen, das sich aus dem
Wüstenboden erhob. Dann würde er die zehntausend ins
Gestein gemeißelten Stufen erklimmen, um Macht und Mystik des heiligsten aller Orte zu erfahren.
»Ich möchte zu Mutter«, sagte Varith quengelig. Tuvok holte Luft und es klang wie ein Seufzen. Dieses Kind war wirklich anstrengend.
»Wir bleiben hier weitere fünfzehn Minuten stehen, weil du die Konzentration verloren hast«, sagte er. Sie warteten eine Viertelstunde, trotz Variths wachsender Unruhe und dem gelegentlichen leisen Weinen eines Babys.
Als sie schließlich T’Pels Zimmer betraten, stob Varith sofort los und warf sich in die Arme seiner Mutter. Es enttäuschte Tuvok, dass T’Pel den Jungen umarmte und ihm Zärtlichkeiten ins Ohr flüsterte. Eine solche Verstärkung von ungebührlichem Verhalten erleichterte ihm nicht die Aufgabe, den Kindern die Selbstbeherrschung beizubringen, die sie in der Welt der Erwachsenen brauchten.
Sek bewies etwas mehr Zurückhaltung, indem er sich
langsamer dem Bett seiner Mutter näherte. »Ich hoffe, es geht dir gut, Mutter«, sagte er. T’Pel streckte auch ihm einen Arm entgegen und beide Jungen genossen die Umarmung ihrer ganz offensichtlich erschöpften Mutter.
»Es geht mir gut. Ebenso eurem neuen Bruder. Geht zu ihm und seht euch an, wie ihr in den ersten Stunden nach der Geburt ausgesehen habt.«
Sek und Varith traten zu einer großen Wiege neben dem Bett und wichen der Krankenschwester aus, die gekommen war, um bei der Geburt zu helfen. Tuvok nahm an T’Pels Seite Platz und sie wechselten einen Blick, in dem ihre Gedanken hin und her flossen, der ihnen beiden Ruhe brachte.
»Es ist ein starker, gesunder Junge, Tuvok. Wir kön nen erneut zufrieden sein.«
»Du hattest dir eine Tochter gewünscht.«
»Ich bin dankbar für meine gesunden Jungen. Dies war der größte und er saugt bereits.«
»Sieh nur, wie klein er ist, Vater!«, rief Varith.
Tuvok drehte den Kopf und sah, dass sich erneut Variths Zähne neigten – er lächelte wieder. »Schließ den Mund«, sagte er automatisch und die Zähne verschwanden.
Tuvok ging zur Wiege und sah auf seinen dritten Sohn hinab.
Das Baby hatte hellere Haut als die beiden anderen Jungen und am Kopf zeigten sich die Ringellocken seiner Mutter. Der Mund vollführte saugende Bewegungen, wie ein Fisch, aber er weinte nicht. Die kleinen Fäuste ragten nach oben, bewegten sich hin und her. Tuvok fühlte sich an den Leiter eines Orchesters erinnert, den er einmal auf der Erde gesehen hatte.
Vielleicht verfügte dieser Knabe über musikalische Talente; seine beiden
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