Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
hatten sich gelöst, und seine Hände lagen ruhig auf der Tischplatte.
»Ich möchte Euch nicht zum Gegner haben, Cunard«, brach Simon das Schweigen. »Auch wenn ich Euch vermutlich schlimmer gekränkt habe als je ein Mann vor mir.«
Der Kapitän sog hörbar die Luft ein und durchbohrte Simon mit Blicken. Simon widerstand dem Drang, die Lider zu senken, und hielt dem Starren stand.
»Ich habe es von Anfang an gewusst«, sagte Cunard schließlich. »Als ich Euch das erste Mal sah – und Bridas Blicke, die sie Euch schenkte.«
»Habt Ihr ihr deshalb den Antrag gemacht?«
Jetzt war es der Kapitän, der Simons Blick auswich.
»Vermutlich.« Er seufzte. »Ihr habt schon recht, ich hätte es früher tun sollen. Aber ich war zu feige. So lange, bis es zu spät war.«
»Ich …«, wollte Simon ansetzen, doch Cunard unterbrach ihn.
»Sagt nichts mehr. Ich glaube, es ist besser, wenn Ihr jetzt geht.«
Simon erhob sich. Kurz bevor er die Tür erreicht hatte, sprach Cunard weiter. »Ich will Euch auch nicht zum Feind haben, Simon von Wickede, selbst wenn ich Euch derzeit am liebsten in der Ostsee ersäufen würde.«
»Es tut mir leid.«
»Nein, das tut es nicht«, widersprach Cunard. »Sonst hättet Ihr es nicht getan.«
Simon ging.
Die alte Köchin Elsa hatte sich selbst übertroffen, um die wohlbehaltene Rückkehr von Kapitän Hinrich zu feiern. Steinbutt im Kräuterbett, so schmackhaft zubereitet, dass Jannick mit einem Augenzwinkern fragte, ob er Elsa wohl abwerben könne. Trotz der drohenden Gefahr wurde gelacht und gescherzt. Simon indes blieb still und in sich gekehrt. Und er war nicht der Einzige. Cunard hatte genügend Rückgrat bewiesen, sich ebenfalls in Hinrichs Haus einzufinden, und nun saßen sich die beiden Männer schweigend gegenüber, während Jannick und der Käpt’n das Tischgespräch bestritten, ab und an von Barbaras und Kalles munteren Einwürfen unterbrochen. Aber auch Brida war erstaunlich still. Simon vermutete, dass sie sofort bemerkt hatte, was zwischen ihm und Cunard vorgefallen war.
Vielleicht wäre die Tischgesellschaft dennoch ohne jeden Zwischenfall verlaufen, wenn Barbara nicht unbedacht das Gespräch auf Bridas und Cunards geplante Hochzeit gebracht hätte.
»Es wird keine Hochzeit geben«, sagte Cunard knapp. »Jedenfalls nicht zwischen Brida und mir.«
»Aber … ich verstehe nicht ganz.«
»Barbara, vielleicht ist es besser, wenn du für eine Weile den Mund hältst«, sagte Simon. Er hatte sich bemüht, die Zurechtweisung in freundlichem Ton vorzubringen, dennoch war seine Verärgerung herauszuhören, und Barbara sprang sofort darauf an.
»Du hast mir nicht den Mund zu verbieten!«
»Wenn du es selbst nicht merkst«, herrschte Simon seine Schwester an.
»Sag, Brida, bist du sicher, die rechte Wahl getroffen zu haben?« Kapitän Cunard musterte Brida mit besorgten Blicken. »Willst du dich wirklich an einen Mann binden, der sich nicht einmal seiner Schwester gegenüber höflich benimmt?«
»Was soll das denn heißen?«, brüllte Simon und ärgerte sich zugleich, dass er laut geworden war. Genauso hatte er früher andere zur Weißglut getrieben, und jetzt fiel er selbst darauf herein.
»Dass Eure Selbstbeherrschung nicht die beste ist, weiß wohl jeder in Lübeck, nicht wahr? Trotz Eurer Heldentaten in den letzten Monaten, für die die Hanse Euch ewig zu Dank verpflichtet sein wird. Ich hoffe, Brida wird unter Eurem Jähzorn nicht zu leiden haben.«
Cunards Worte trieben Simon das Blut ins Gesicht. Er atmete tief durch. Nein, er wollte sich nicht reizen lassen. Nicht von Cunard. Er hatte es nicht nötig. Er wollte ganz ruhig bleiben. Er verschränkte die Hände ineinander und wandte sich an Barbara. »Bitte verzeih, dass ich dir so hart über den Mund gefahren bin. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Barbara starrte ihn mit großen Augen an. Ihr Blick wanderte von ihm zu Cunard und dann zu Brida.
»Du und Brida?«, hauchte sie, während ihr Gesicht die Farbe einer reifen Erdbeere annahm. Simon nickte. War seine Schwester wirklich so blind gewesen?
»Es tut mir leid«, stammelte sie. »Du hast recht, es war ungehörig.«
Unversehens fuhr sie hoch und rannte aus dem Haus.
»Ich glaube, es ist besser, ich gehe auch«, sagte Cunard und erhob sich ebenfalls.
»Nun, wenigstens haben die zwei ihre Teller geleert«, sagte Jannick nüchtern. »Wäre ja auch schade um den guten Fisch. Ich hätte gern noch eine Portion.«
Simon sah, dass Bridas Vater sich ein Lächeln
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