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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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retten wir uns auf den Frachter. Amerikaner haben für
Kommunisten nicht viel übrig. Die ›Leland Stamford‹ bringt uns in Sicherheit.«
    »Der Kahn hat einen Maschinenschaden«, erinnert ihn der Lieutenant.
»Aber wir verschieben die Flucht besser auf später«, murmelt MacDonald und
stößt ihn an. »Sehen Sie!«
    Stave tritt hinter die Fahrerkabine des umgestürzten Krans. Auf der
Brücke ist ein junger Werftarbeiter erschienen. Der Kaugummi kauende Offizier
hat seine Zeitung zusammengefaltet und redet mit dem Mann, reicht ihm eine
Zigarette.
    »Normalerweise würde kein Offizier einen Werftarbeiter auf die
Brücke lassen. Schon gar keinen Deutschen«, sagt MacDonald.
    »Und der hier bietet dem Kerl sogar etwas zu rauchen an.« Stave
nickt mit dem Kopf in Richtung des Schiffes. »Der Arbeiter hat etwas in der
Hand.«
    »Sieht aus wie ein Jutesack.«
    »Nicht sehr groß. Offenbar auch nicht schwer.«
    »Und nicht verölt. Ein Ersatzteil für die Maschine ist das nicht.«
    »Ein Teil für die Brücke? Ein Kompass oder Funkgerät?«
    »Solche Präzisionsinstrumente darf es bei Blohm & Voss längst
nicht mehr geben.«
    »Erinnern Sie sich an das, was wir eben im Schuppen gesehen haben?«
    »Das ist eine illegale Aktion. Blohm sieht nicht so dumm aus, als
würde er bei einem amerikanischen Schiff offiziell etwas installieren, was ihm
die Alliierten 1945 verboten haben. Außerdem transportiert man Präzisionsteile
in Holz- oder Blechkisten, nicht in einem Stoffsack.«
    »Der soeben seinen Besitzer wechselt.«
    Der Arbeiter überreicht den Beutel, nachdem er noch eine zweite
Zigarette eingesteckt hat, dem jungen Offizier, grüßt linkisch mit erhobener
Hand und verlässt die Brücke.
    »Jetzt würde ich gerne das Schiff stürmen und den Offizier
verhören«, murmelt Stave.
    »Dafür hättet Ihr Deutschen den Krieg gewinnen müssen«, antwortet
MacDonald.
    »Also schnappen wir uns den Arbeiter, sobald er das Schiff
verlässt.«
    »Das klingt schon eher nach einem Plan, der uns nicht das Genick
bricht.«
    »Vorausgesetzt, die anderen Arbeiter bemerken davon nichts. Sonst
lösen wir doch noch die Oktoberrevolution aus.«
    »Wäre schade um mein Genick.«
    Stave hätte einiges für einen Schluck Wasser gegeben. Er
spürt den Schmerz auf seiner Unterlippe, wo die Haut aufgeplatzt ist. Er tastet
zur Sicherheit nach der Pistole im Holster. Zumindest wird ihm die Waffe im
entscheidenden Moment nicht aus der Hand gleiten, denn er ist längst so
ausgedörrt, dass er nicht mehr schwitzt.
    Der Arbeiter erscheint auf der Gangway: untersetzt, muskulös, die
gewellten schwarzen Haare etwas länger, als man das früher gerne gesehen hätte.
Er hat es nicht eilig, bleibt auf der Planke stehen, die den Frachter mit dem
Kai verbindet, und zündet sich eine neue Zigarette an.
    »Jetzt?«, fragt MacDonald.
    »Der Offizier wird es von der Brücke aus sehen. Was immer die beiden
dort oben gemacht haben, er wird gewarnt sein, wenn er beobachtet, wie wir den
Arbeiter ansprechen.«
    »Aber was, wenn der Kerl zu einer Gruppe zurückgeht? Der muss doch
irgendwo beschäftigt sein und Kollegen haben. Wenn wir ihn dann in die Mangel
nehmen, dann haben wir unsere Revolution. Und wir können ihn auch nicht den
ganzen Tag auf der Werft beschatten, viel zu auffällig.«
    »Abwarten. Unser Freund scheint sich nicht gerade zu beeilen, zu
seiner Arbeit zurückzukehren.«
    Der Oberinspektor vergisst die Hitze und den Durst. Jagdfieber. Der
junge Arbeiter schlendert den Kai entlang, auf den Trassen der Schmalspurbahn,
in Richtung eines ehemaligen Schuppens, der nur noch ein Trümmerberg ist.
    »Da arbeitet niemand«, flüstert MacDonald.
    »Um so besser. Folgen wir ihm!«
    Sie klettern aus dem Gewirr der Stahlträger. »Blicken Sie nicht zum
Frachter zurück!«, rät der Oberinspektor. »Wir gehen am Kai entlang, redend.
Zwei Angestellte, die etwas inspizieren.«
    Der Arbeiter blickt sich nicht um. Er hält auf den Rest einer
Ziegelmauer zu, vielleicht zwei Meter hoch, fünf oder sechs Meter breit.
    »Ob er da etwas versteckt?«, fragt der Lieutenant.
    »Sich selbst«, antwortet Stave. »Der Kerl genehmigt sich eine kleine
Zigarettenpause an einer Stelle, wo ihn kein Vorarbeiter sehen kann.«
    Tatsächlich verschwindet der Arbeiter hinter der Mauer. Stave nickt
dem Briten zu. »Nicht schneller gehen«, murmelt er. »Jemand könnte uns vom
Frachter aus sehen. Wir gehen an der Mauer entlang bis zu deren Ende. Dort
biegen wir ab und gelangen so auf die

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