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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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durch den
klaustrophobisch engen Raum wabert.
    »Auf dem Seziertisch haben es Ihre Toten bequemer«, bemerkt der
Oberinspektor, während er einige Leitzordner von einem Klappstuhl hebt, sich
ratlos umsieht und seine Last dann mangels Alternative auf dem Linoleumboden
abstellt.
    »Aufräumen lohnt sich nicht«, erwidert der Arzt leichthin. »Ich muss
hier sowieso bald raus.«
    Stave blickt ihn überrascht an. »Sie werden versetzt?«
    »Wir werden versetzt«, lacht Czrisini. »Das ganze Institut. Wir
haben die Villa 1938 der katholischen Kirche abgekauft. Meines Wissens legal.
Aber nun fordern die Herren Bischöfe und Prälaten das Haus zurück, weil es
angeblich zwangsweise eingezogen worden ist. Bin gespannt, was die Kirche mit
einer Bude anfangen will, in der in den letzten zehn Jahren Hunderte Tote
aufgeschnitten worden sind.«
    »Vielleicht verwandeln sie es in eine Schule«, murmelt Stave.
    »Ist das ein Stichwort? Adolf Winkelmann?«
    »Ich habe Ihre Nachricht erhalten.«
    »Wollen Sie alle Einzelheiten des Berichts hören? Oder die
Zusammenfassung?«
    »Die Einzelheiten hefte ich zu den Akten. Jetzt reicht mir die
Kurzform.«
    »Schön«, sagt Czrisini in einem Tonfall, der seine Kränkung darüber
verrät, dass seine Kunst nicht hinreichend gewürdigt wird. »Exitus
Donnerstagnacht. Tod durch scharfe Gewalt. Stichverletzung. Direkt ins Herz,
Organ massiv verletzt, mehr als zwei Liter Blut im Brustraum. Der Stoß ist mit
großer Kraft geführt worden, denn eine Rippe wurde von der Tatwaffe glatt
durchtrennt.«
    »Ein Messer?«
    »Wahrscheinlich. Eher kein Küchenmesser, deren Klingen verbiegen
sich oft, wenn sie auf Knochen treffen. Ich tippe auf eine massive Klinge, wie
sie Soldatenmesser oder solche von Anglern haben.«
    »Oder Seeleuten?«
    »Könnte auch passen. Keine aktiven Abwehrverletzungen am Opfer. Also
keine Schnitte an den Händen, weil der Junge noch versucht hätte, nach der
Waffe zu greifen. Keine passiven Abwehrverletzungen, etwa an den Unterarmen,
wenn er sich wenigstens mit den Armen vor dem Körper hätte schützen wollen. Der
Stoß muss ihn überraschend getroffen haben.«
    »Er hat den Angriff nicht erwartet. Er hat wahrscheinlich auch das
Messer in der Hand des Angreifers nicht gesehen.«
    »Oder er hat es gesehen, aber nicht damit gerechnet, dass der Mörder
zustoßen wird. Vielleicht hat der Unbekannte mit der Klinge etwas aufgetrennt,
ein Paket zum Beispiel. Dann wäre es normal, dass er ein Messer in der Hand
hat. Dann eine rasche Bewegung – und, zack, das süße Leben entfleucht.«
    »Noch etwas Ungewöhnliches?«
    »Sein Magen. Reichlich Speisebrei, Brot und Fett, wahrscheinlich
Butter. Der Junge war mager, aber so schlecht war er dann doch nicht genährt.
Besser als der Durchschnittsjunge seines Alters in Hamburg.«
    »Kohlespuren?«
    Czrisini starrt den Oberinspektor verständnislos an.
    »Entschuldigung«, erklärt Stave, »das würde den Wohlstand des Jungen
erklären. Er hat Kohlen gestohlen. Gibt es Indizien dafür am Körper? Ich meine,
Kohlespuren unter den Fingernägeln, Ruß im Haar oder dergleichen?«
    Der Pathologe kratzt sich am kahlen Haupt, blättert in seinem
Bericht, den er unter fünf anderen, gleich aussehenden hervorzieht. »Nichts. In
dieser Hinsicht war der Junge sauber.« Er hustet.
    Stave wartet, bis der Anfall vorüber ist. Czrisini ist blass, feine
Schweißperlen schimmern auf seiner Stirn.
    »Sie sollten wirklich einmal lüften«, sagt der Oberinspektor zum
Abschied.
    In den nächsten Tagen spricht der Kripo-Mann mit Kollegen
vom Chefamt S, die den Schwarzmarkt bearbeiten, bittet sie, sich bei ihren
Klienten umzuhören. Stave erfährt von Kinderbanden, die in Geschäften und
Kantinen und sogar bei den Engländern einbrechen, um Schokolade zu stehlen, die
sie anschließend auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Mehr als fünftausend Fälle
sind im vergangenen Jahr vor dem Jugendgericht verhandelt worden, zehnmal mehr
als in den zwanziger Jahren. Aber Adolf Winkelmann, so stellt sich schnell
heraus, war entweder ein sehr kleiner Fisch oder ein sehr geschickter: Nie ist
er in eine Razzia geraten, nie verhaftet worden, nie vor einem Jugendrichter
gelandet, kein Spitzel hat einem Polizisten gegenüber je diesen Namen genannt.
Ein unbeschriebenes Blatt.
    An einem Vormittag macht sich Stave zum Universitätsklinikum
Eppendorf auf, dem größten Krankenhaus der Stadt – wenn er etwas über verletzte
oder kranke Kinder erfahren kann, dann dort. Das Hauptgebäude an

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