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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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Schlieren auf der weißen Emaille zurücklassen wird, die er
stundenlang wegschrubben muss. Schließlich hockt er auf seinem Balkon,
zerbröselt das mürbe Brot, trinkt dazu das nach Eisen schmeckende Wasser. Er
blickt über die Ahrensburger Straße, auf der ein Lastwagen röhrt. Vielleicht
einer von Greta Boesels Fuhren, denkt er flüchtig, versucht sich mit dem Fall
abzulenken, doch er kann sich nicht darauf konzentrieren. Dunst flirrt über der
Straße, irgendwo lachen spielende Kinder.
    Das fehlt mir noch, dass ich hier hocke und wie ein Rentner auf
Geräusche lausche, denkt er. Ein junger Kollege hat ihm vor einigen Tagen einen
jener neuen, amerikanischen Romane geliehen, die in der braunen Zeit verboten
waren und die nun in deutscher Übersetzung erscheinen. Ein schmales Buch, eher
ein Heft, gedruckt auf billigem Zeitungspapier, auf dem Umschlag hingetuscht
das Bild von menschlichen Gestalten an einer Küste, darüber der Preis: 50 Pfennig. »In einem andern Land«. Könnte ich unterschreiben, denkt Stave – er
fühlt sich in Hamburg wie in der Fremde.
    Er fängt an zu lesen. Doch nach einer halben Stunde fällt ihm auf,
dass er sich an keinen einzigen Satz aus dem Roman erinnern kann. Verärgert
klappt er das Buch zu. Draußen färbt die Abendsonne die Ruinen feuerrot. Er
fragt sich, ob Karl noch über die Straßen geht oder ob er schon im
Schrebergarten angekommen ist. Ihn quält der Gedanke, dass er möglicherweise
die eine Gelegenheit, sich mit seinem Sohn auszusprechen, verpasst hat.
    So ist er beinahe erleichtert, als jemand vorsichtig an seine Tür
klopft.
    Schupo Ruge steht im Treppenhaus, das junge Gesicht
gerötet vom Sonnenbrand. Er setzt zum Sprechen an, doch der Oberinspektor ist
schneller. »Sie sind der Bote des Todes«, brummt er. »Kommen Sie herein und
sagen Sie mir drinnen, was es gibt.«
    »Wir haben einen neuen Mordfall.«
    »Den ich übernehmen soll, obwohl ich noch an der Sache Winkelmann
arbeite?«
    Ruges rotes Gesicht färbt sich noch um eine Spur dunkler. »Im
Gegenteil. Cuddel Breuer hat Oberinspektor Dönnecke mit dem Fall beauftragt.«
    »Und warum sind Sie dann hier?«
    »Weil ich denke, dass Sie auch davon unterrichtet werden sollten.
Der Tote wurde neben den Bahngleisen am Dammtorbahnhof gefunden. Einer von den
Kohlenklauern.«
    »Wilhelm Meinke!«, ruft Stave und greift nach Hut und
Schulterhalfter.
    »Ich wusste doch, dass Sie das interessiert«, verkündet Ruge stolz
und stolpert hinter dem Oberinspektor die Treppe hinunter.
    »Hat Dönnecke Sie zu mir geschickt?«, fragt Stave verwundert, als er
sich in den Mercedes zwängt und vergebens versucht, das klemmende Fenster der
Beifahrertür hinunterzukurbeln, um etwas Luft ins stickige Innere zu lassen.
    Der junge Schupo starrt nach vorne, die Augen gegen die tiefstehende
Abendsonne zu schmalen Schlitzen verengt. »Nein«, erwidert er knapp.
    »Sie sind aus eigenem Antrieb gekommen?«
    »Niemand hielt es für notwendig, Sie zu informieren. Da dachte ich
mir, dass ich das machen sollte.«
    Der bewundert mich, durchfährt es Stave, erfreut und zugleich ein
wenig peinlich berührt. Der Junge verfolgt meinen Fall, und als er denkt, dass
mir etwas entgeht, kommt er vorbei. Nicht gerade der Dienstweg. Könnte Ärger
geben, wenn das jemand erfährt. Aber das werde ich verhindern.
    »Sind noch viele Kollegen am Fundort der Leiche?«, fragt er
vorsichtig.
    Ruge schüttelt den Kopf. »Doktor Czrisini vielleicht noch. Kienle
hat seine Sachen schon zusammengepackt, als ich vor einer halben Stunde
losgefahren bin. Ein paar Schupos sichern die Umgebung.«
    »Und Dönnecke?«
    »Ist schon gegangen. Er glaubt, er weiß schon, wer der Täter ist.«
    »Wer?«
    Ruge zuckt die Achseln. »Hat er einigen Kollegen gesagt, mir nicht.
Ich stand zu weit entfernt. Und«, er zögert, »ich habe mich nicht getraut,
nachzufragen.«
    »Verstehe«, murmelt Stave. Oberinspektor Dönnecke ist ein Krimsche,
der noch zu Kaisers Zeiten angefangen hat. Der kann unhöflich werden. »Hat er
den Täter verhaftet?«
    »Soweit ich weiß, suchen sie noch nach ihm.«
    Sie passieren ein weites Ruinenfeld an der rechten Straßenseite.
Stave erhascht einen flüchtigen Blick auf einen älteren, einbeinigen Mann, der
im Schatten einer etwa drei Meter hohen, brandgeschwärzten Mauer Ziegelsteine aufschichtet.
Der will sich in den Trümmern einen Verschlag bauen, denkt er. Anfänger. So
sichtbar an der Ahrensburger Straße, da wird ihn bald eine Streife
verscheuchen. Oder man

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