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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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drei Seziertische die
Leiche von Hildegard Hüllmann. Stave hätte die junge Prostituierte nicht
erkannt, wenn nicht ein Namensschild an ihrem rechten Fuß baumeln würde – und
wenn nicht Doktor Czrisini gerade neben dem Tisch ein Organ, das der
Oberinspektor nicht erkennt, in eine Schale legen und ihn danach zu sich winken
würde.
    »Das ist nicht Ihr Fall«, stellt der Pathologe fest.
    »Dieser Spruch kommt mir bekannt vor.« Stave zwingt sich, auf die
Tote zu sehen: Ihr Schädel ist geöffnet, die Schädeldecke kreisrund abgesägt,
das Gehirn liegt in einer Schale neben dem blutüberströmten Kopf, dessen
Gesicht unkenntlich ist. Ihr magerer Brustkasten ist offen und ausgenommen, ihr
Unterleib ebenso.
    »Nachher nähen wir sie wieder zusammen«, versichert der
Rechtsmediziner.
    »Ich glaube kaum, dass es jemanden gibt, der am offenen Sarg von ihr
Abschied nehmen will.«
    »Sie vielleicht?«
    Der Kripo-Mann erinnert sich an die Karte mit seiner Telefonnummer,
die er ihr gegeben hat. An ihre freche Antwort. An ihr Versprechen, sich umzuhören.
Ich habe das Mädchen auf dem Gewissen, denkt er verzweifelt. Ich habe nicht auf
sie aufgepasst. »Sie war eine Zeugin im Fall des ermordeten Jungen auf der
Bombe«, erklärt er.
    »Das könnte passen«, sagt Czrisini und nickt.
    Stave starrt ihn an. »Was könnte passen?«
    »Sie kommen zu spät. Sie hätten das Mädchen vorher sehen sollen,
bevor ich anfing.«
    »Ein Messerstich, rechter Brustraum, Indiz dafür, dass der Täter
Linkshänder ist?«
    »Exakt. In diesem Fall waren es allerdings drei Stiche. Zwei
verletzten die Lunge schwer, so lang muss die Klinge gewesen sein, einmal quer
durch die beiden Lungenflügel. Der dritte Stich zerstörte eine Rippe, die
Klinge drang nicht so tief ein. Das Opfer ist an seinem eigenen Blut in der
Lunge erstickt, mehr als zwei Liter in beiden Brusthöhlen. Der Körpertemperatur
nach schätze ich, dass die Tat vor ungefähr zwölf Stunden begangen wurde.«
    »Mitten in der Nacht.«
    »Vor der Ausgangssperre oder kurz danach.« Stave starrt auf die
Hände des Mädchens, unberührt von der Arbeit des Pathologen: schmutzig, die
Nägel abgekaut, schrundiger Ausschlag an der Linken. Aber keine Wunden. »Die
hätte sich gewehrt, wenn sie geahnt hätte, was ihr droht.«
    »Was nicht heißt, dass sie den Täter gekannt hat. Gut gekannt hat,
meine ich.«
    Der Oberinspektor nickt. »Ja, könnte ein Freier gewesen sein.«
    »Den würde ein Mädchen in ihrem Gewerbe nahe an sich heranlassen.«
    »Indizien?«
    »Kein Sperma im Vaginalbereich oder After. Oder im Mundraum.
Oberinspektor Dönnecke glaubt trotzdem, dass es ein Kunde war.«
    »Wo hat man sie gefunden? Wann?«
    »Am frühen Morgen kam die Meldung bei uns an, ich war gerade mit
einer anderen Leiche fertig.« Czrisini zuckt ergeben mit den Achseln. »Ein
Gastwirt, der seinen Schankraum abgeschlossen hat und nach Hause gehen wollte.
Er meldete es auf der nächsten Polizeistation und musste dann selbst mit einem
Schock behandelt werden. Das Blut, das nicht in die Lunge geströmt war,
bedeckte Straße und Hauswand.« Czrisini schüttelt verständnislos den Kopf über
derlei Sentimentalitäten. »Sie lag vor dem Eingang eines unzerstörten
Mehrfamilienhauses in der Rostocker Straße. Nahe am Hauptbahnhof.«
    »Und noch näher am Hansaplatz«, murmelt Stave und flucht leise.
»Sonst noch etwas?«
    Czrisini wendet sich ab, krümmt sich in einem langen Hustenanfall,
wischt sich schließlich mit einem Papiertuch über den Mund. Schweißperlen
glitzern auf seiner Stirn, als er sich wieder aufrichtet. Stave erkennt einige
Blutspritzer auf dem Papier. Als der Pathologe seinen Blick bemerkt, knüllt er
das Tuch rasch zusammen und wirft es in einen Korb mit Leichenabfällen.
    »Ich brauche eine Zigarette«, keucht er. Er winkt zu einem jungen
Mann in einem Kittel, der am Rand des Raumes an einem Blechtisch Akten
ausfüllt. »Den Rest kann mein Assistent übernehmen. Die Leiche wieder schließen,
meine ich.«
    Draußen saugt er gierig den Qualm seiner Woodbine ein und lächelt
dann entspannt, bis ihm etwas einfällt. »Da gibt es noch etwas«, murmelt er.
»Wenn auch wohl nicht tatrelevant.«
    »Wir werden sehen.«
    »Die Kleine war schwanger. Ganz am Anfang der Schwangerschaft, kaum
mehr als ein Zellklumpen in der Gebärmutter. Möglich, dass sie selbst nicht
einmal um ihren Zustand wusste.«
    Stave wird für einen kurzen Moment übel, beinahe hätte er den
Pathologen um eine Zigarette gebeten.
    »Das

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