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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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sich auch immer vor mir auftut, mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Gucken, analysieren, handeln – wenn es sein muss, in Sekundenbruchteilen.
    Also, was haben wir hier?
    Herrn Baumers Beine ragen aus der Heißmangel. Er kommt weder vor noch zurück. Hinter der Plexiglasscheibe, durch die man in den nächsten Raum schauen kann, sehe ich, dass Daniel etwas Spitzes in der Hand hat und damit vor Gretas Gesicht herumfuchtelt.
    Erster Lösungsansatz: Kontakt mit Daniel aufnehmen. Ich brülle durch die Scheibe. Na bitte. Plexi ist gar nicht so schallundurchlässig, wie alle immer denken. Er hört mich.
    »Daniel, komm sofort her!«
    Er kommt an die Scheibe.
    »Guck ma, ich hab hier ein Kindermesser.«
    Mist. Eine Nagelfeile. Muss wohl irgendeiner Mama aus der Handtasche gefallen sein.
    »Ich mach ein Säbeltanz.«
    Säbeltanz. Das hat er aus dem Nußknacker-Ballett. Leider ist der Säbeltanz eher temperamentvoll, und leider findet Daniel nach wie vor, dass man Säbeltänze am effektvollsten wenige Zentimeter vor dem Gesicht eines kleinen Mädchens aufführt.
    Alternativer Lösungsansatz: Herrn Baumer mit Gewalt vollständig durch die Heißmangel schieben. Ich schnappe mir seine Beine und drücke. Keine Chance. Das Problem bei Herrn Baumer ist nicht sein Bauch, sondern sein Becken. Da hat er sich nämlich das breiteste ausgesucht, das in Abrahams Genpool zu kriegen war. Dachte wohl: Nehm ich einfach mal das breiteste. Weiß zwar nicht, warum, aber ist bestimmt später mal ein gutes Gefühl, ein breiteres Becken als mein Nachbar zu haben.
    Dritter Lösungsansatz: Gibt es nicht.
    Verflixt, ich habe doch schon ganz andere Bewährungsproben bestanden. Kann doch nicht sein, dass ich daran scheitere, diesen Versicherungsheinz durch die Heißmangel zu schieben. Ich reiße mir die Socken von den Füßen, damit ich nicht dauernd wegrutsche, und mobilisiere die letzten Kraftreserven. Jaaa, endlich bewegt sich was. Herr Baumer stöhnt, aber egal. Hau ruck!
    Gut, Gefahr gebannt. Herr Baumer ist durch und hat sich die Nagelfeile geschnappt.
    Dafür jetzt neue Situation: Herr Baumer hat untenherum nur noch einen Stringtanga an, und ich stehe mit seiner türkisfarbenen Ballonseidenjogginghose in der Hand da. Die anderen Eltern gucken von allen Seiten, und etwas weiter hinten sehe ich die Geschäftsführerin des Indoorspielplatzes hektisch in ihr schnurloses Telefon sprechen.
    *
    Ich will mich nicht beklagen. Dieser Nachmittag hätte noch viel unangenehmer werden können. Wenn nicht ein anderer Papa die ganze Szene beobachtet und die herbeigerufenen Polizisten mit Geduld und Einfühlungsvermögen davon überzeugt hätte, dass Herr Baumer kein Exhibitionist ist, säßen wir wahrscheinlich jetzt auf der Wache und Daniel und Greta irgendwo zur vorübergehenden Verwahrung. Ich will nur anmerken, dass ich Herrn Baumer lieber nicht im Stringtanga gesehen hätte und dass ich nie gewollt habe, dass wir uns duzen. Leider ist das ab jetzt so. Er hat darauf bestanden. Wenn man so etwas zusammen erlebt, kann man nicht mehr Sie zueinander sagen, fand er. Jetzt muss ich ihn für den Rest meines Lebens Ludger nennen.
    Sonst ist alles in Ordnung. Der Regen schnürt sanft vom Himmel, und die Luft ist endlich nicht mehr so staubig. In einer halben Stunde ist Abendessen. Vorher sehen wir uns noch einmal ausgiebig den Nussknacker an. Mit Säbeltanz und allem Drum und Dran.

7 D IE G ELBEN
    Es ist so weit. Wir fahren heute zur Verlobungsfeier nach Dortmund.
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Warum nicht?«
    »Das sieht so was von abgeschmackt aus.«
    »Strictly Rock ’n’ Roll.«
    »Ich will aber Hubert und Dörte kein Geschenk in Totenkopfpapier überreichen.«
    »Schatz, glaub mir, ich weiß, was ich mache. Dafür darfst du bestimmen, was wir anziehen.«
    Am Ende muss ich mich leider doch noch in die Klamottenfrage einmischen. Es ist ein hartes Stück Arbeit, Simone davon zu überzeugen, dass Hubert mit seinem dämlichen Strictly - Rock-’n’-Roll -Motto keine Fünfziger-Schmalztollen-und-Petticoat-Kostümparty meint, sondern uns einfach nur befehlen will, nichts Feines anzuziehen. Am Ende gehe ich in Jeans und Freizeithemd, und Simone leiht sich eine Latzhose von Annette aus. Zwischendrin schaut Tante Hilda vorbei, um uns mitzuteilen, dass ich mit meinem Veteranenstraßen-Bobby-Car-Ritt vor drei Tagen irgendeinen Werbeagenturfuzzi auf die Idee gebracht habe, in zwei Wochen ein großes Veteranenstraßen-Papa-Bobby-Car-Rennen zu

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