Schief gewickelt (German Edition)
veranstalten, und dass ich als Quasi-Erfinder auf jeden Fall starten müsse. Ganz toll. Da macht man mal in ein paar geistesschwachen Minuten irgendeinen Unsinn, und schon wittern die Herren Ideenjäger gleich den nächsten Hype. Aber nicht mit mir. Mir reichts schon, dass ich mich dauernd öffentlich zum Löffel mache, wenn ich mit Daniel unterwegs bin.
Egal, kurze Zeit später sitzen wir glücklich im Zug und rollen westwärts Richtung Hubert und Dörte. Diesmal ist es ein Großraumwagen. Simone liest Daniel Pixibücher vor, und ich versuche das Zugmagazin mit dem Scarlett-Johansson-Cover zu ignorieren.
Nein, es geht nicht.
Es ist nur ein kurzer Artikel, eher nüchtern und keine Rede von ihren Mädels, aber dafür wieder diese Fotos. Sie scheint irgendwo zu leben, wo das Thermometer konstant auf dreißig Grad im Schatten zeigt. Ich muss auf andere Gedanken kommen. Zeitung. Sportteil. Duisburg heute auswärts gegen Schalke. Ganz harter Brocken. Könnten sie ruhig mal was drüber schreiben, aber nein, wieder mal nur Hertha- und Bayern-Artikel. Noch ein Blick in den Wirtschaftsteil. Der Tec DAX kommt immer noch nicht richtig auf Touren. Kein Wunder. Sie warten auf feelgoood.com. Sobald wir wieder zu Hause sind, muss ich endlich den Hintern hochkriegen. Apropos Hintern.
»Ich glaube, hier riecht etwas ganz merkwürdig.«
»O ja, du hast recht.«
Klar hab ich recht. Ich schnappe mir Daniel und die Papatasche. Jetzt kann ich meine Scharte von der letzten Zugfahrt wieder auswetzen. Ein paar Schritte und wir sind wieder beim guten alten Behindertentoiletten-Wickel-Kombiraum. Ein Haufen giggelnder Teenagermädchen steht davor rum. Hat sich der Klassenfahrtlehrer wohl nicht rechtzeitig um Platzkarten bemüht, was?
Verflixt, ich bin ein erwachsener Mann. Ich habe Geld, ich habe den Führerschein bestanden, und ich habe Sex gehabt. Warum werde ich trotzdem immer noch rot, wenn ich an giggelnden Teenagermädchen vorbeimuss? Nichts wie rein in den Pinkelpalast und Tür zu. Kaum zu glauben, was für einen Mordseffekt diese lächerlichen drei Zentimeter Plastik und Metall haben können. Ganz egal, wer alles da draußen keinen Meter von dir entfernt rumfeixt, du kannst in aller Ruhe deine intimsten Verrichtungen vornehmen.
Ich habe alle Zeit der Welt und noch dazu so viel Platz, dass ich zwei Kinder gleichzeitig wickeln könnte. Herrlich. Ich liebe behindertengerechte Räume. So ein Standardrollstuhl braucht einfach seinen Wendekreis. Da gibt es großzügig festgelegte Mindestmaße. Wenn du die beim Eisenbahnbauen nicht einhältst, heißt es zack, Toilette nicht behindertengerecht, keine staatlichen Zuschüsse und ganz schlechte Presse. Das will kein Bahnchef. Und so fällt ganz nebenbei für unsereinen ein Wickelparadies der Sonderklasse ab. Unter diesen Umständen geht natürlich alles leicht von der Hand. Eins, zwei, drei, Po sauber und neue Windel dran und, hm, irgendwie drückt es mich jetzt auch.
»Daniel, ich muss auch mal Kacka machen. Soll ich dich zu Mama bringen?«
»Nein, ich bleib bei dir.«
Na, von mir aus. Ich habe keine Hemmungen. Zum Glück gibt es hier ja diese wunderbaren Behinderten-Haltegriffe. Da kann sich Daniel prima festhalten, damit er nicht hinfliegt, wenn der ICE -Zugführer eine süße Maus am Gleisrand sieht und in die Eisen geht.
Nun gab es da ja mal in den sechziger Jahren dieses furchtbare Unglück, bei dem drei amerikanische Apollo-Astronauten verbrannt sind. Machten gerade ganz harmlos auf der Erde Probesitzen in ihrer Raumkapsel, und plötzlich bricht ein Feuer aus. Das Verhängnis war, dass die Kapseltür nicht so gebaut war, dass man sie mal eben schnell aufmachen konnte. Hatten sich die Konstrukteure wohl gedacht, wenn die Jungs erst mal ganz weit oben im Orbit sind, ist es keine gute Idee, die Tür aufzumachen. Die sichern wir lieber mal doppelt und dreifach ab. Nachdem aber das mit dem Feuer passiert war, haben sie natürlich nur noch Raumkapseltüren gebaut, die man jederzeit mit einem Handgriff öffnen kann, und weil Raumfahrttechnik ja immer richtungsweisend für alle übrigen Technikfelder ist, hat man ab dann auch bei allen wichtigen irdischen Türen darauf geachtet, dass man sie im Notfall immer sofort aufkriegt. Zum Beispiel so eine ICE -Behindertentoilettentür: Einmal kurz den großen grünen Knopf neben der Klinke angetippt und zack, ist sie sperrangelweit offen.
Ich finde das im Prinzip auch völlig richtig so, nur gibt es eben Situationen, in denen es Hölle und
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