Schief gewickelt (German Edition)
an, sieh an, Becker. Der Schuss ging wohl nach hinten los.
Dreißig Sekunden später macht Daniel zum ersten Mal in seinem Leben Pipi in eine Toilette. Ich pfeife fröhlich vor mich hin, als wir wieder zu unserem Platz schlendern, und nehme im Vorbeigehen eine Flasche Sekt vom Tresen mit. Wie einfach die Dinge manchmal sein können, denke ich mir, während ich mich hinsetze und Becker angrinse.
»Aber wir müssen noch blaue Windeln kaufen, Papa!«
Jetzt grinst Becker.
»Ich habe aber gehört, dass die Krokodile alle blauen Windeln aufgefressen haben. Stimmt doch, Becker, oder?«
Ich bedrohe ihn hinter Daniels Rücken mit der Sektflasche.
»Hm, ja, stimmt, glaub ich.«
»Aber dann muss ich jetzt immer den Pipi und den Kacka aufs Klo machen?«
»Exakt. Und von dem Geld, das wir für die Windeln sparen, kaufen wir Onkel Becker einen Lutscher.«
Ha.
Klingeling! Klingeling!
Eine rätselhafte Nummer auf dem Display.
»Hallo?«
»Guten Tag. Spreche ich mit Herrn Heisenkamp?«
»Kann schon sein, wer isn dran?«
»Golden Globe Venture Capital. Mein Name ist Helene Wendenstein. Wenn Sie Herr Heisenkamp sind, würde ich Sie gerne für einen Moment sprechen. Es ist wichtig.«
»Papaaa, ich will dann aber auch einen Lutscher!«
»Ja, du kriegst zehn Lutscher … Entschuldigung, binsofortdran … wenn du jetzt still bist! … Ja, hallo, Frau Wendelstein. Was kann ich … Ich meine …«
»Es geht um Folgendes, Herr Heisenkamp. Sie hatten uns in einem Brief kurz eine Geschäftsidee geschildert. Herr Dr. Bredenau würde sich sehr gerne mit Ihnen unterhalten. Er hat gesagt, dass er zwar normalerweise keine Sondierungsgespräche führt, ohne dass ein qualifizierter Businessplan vorliegt, aber Ihre Idee schien ihm so interessant, dass er sich gerne kurz Zeit nehmen würde, um Sie kennenzulernen.«
»Oh, das freut mich sehr.«
»Sind Sie terminlich flexibel?«
»Ja, so, doch, einigermaßen, ja.«
»Dann kommen Sie bitte morgen um 9:30 Uhr zum Flughafen Tegel, Konferenzraum B 41. Herr Dr. Bredenau hat einen Zwischenstopp auf seinem Flug nach Luxemburg. Er bittet darum, dass Sie ihm in aller Kürze Ihre Idee in strukturierter Form aufbereitet präsentieren. Sie haben eine Viertelstunde Zeit.«
»So, ja, eine Viertelstunde, okay.«
»Gut, dann sage ich Herrn Dr. Bredenau, dass Sie kommen. Wollen Sie es sich noch einmal notieren? Morgen, 9:30 Uhr, Flughafen Tegel, Konferenzraum B 41. Sollten Fragen auftauchen, rufen Sie bitte bei mir an. Golden Globe Venture Capital, Helene Wendenstein. Meine Nummer haben Sie empfangen?«
»Doch, ja, hab ich empfangen.«
»Bestens. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Auf Wiederhören, Herr Heisenkamp.«
12 G EFÜHLE
Es ist zwei Uhr morgens. Die Luft hat sich kaum abgekühlt, und obwohl ich das Fenster sperrangelweit offen stehen habe, ist es stickig. Das gilt aber nur für den Raum. In meinem Kopf ist alles leicht und klar. Ich habe ausgeschüttet, was drin war. Die Idee, der Plan, die Vision, alles ist jetzt hier vor mir auf meinem Laptop-Bildschirm in einer entzückenden Powerpoint-Präsentation ausgebreitet. Noch ohne Bilder, aber auch so schon sehr schick. Es wollte seit Monaten raus. Alles, was ich brauchte, war ein wenig Zeitdruck.
Okay, jetzt muss ich nur noch die passenden Bilder zusammensuchen und einfügen.
*
Geschafft. Die Bilder sind drin. Mann, was hab ich lange an diesem blöden Gefühlskonfigurator gesessen. Inzwischen ist es halb vier, aber ich bin kein bisschen müde. Ich gehe ein letztes Mal alle Folien durch.
Perfekt.
Besser, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Tja, Herr Dr. Bredenau, das ist wohl die Chance Ihres Lebens. Besser, Sie lassen Ihren Termin in Luxemburg morgen dann gleich mal sausen.
13 S ALAMICRASH
Laptop:
Praktischer kleiner Klappcomputer. Kann man überallhin mitnehmen und ist hervorragend als Statussymbol geeignet. Wird unter anderem benutzt, um Präsentationen vor wichtigen Leuten abzuhalten. Vor besonders wichtigen Terminen geht man seine Präsentation gerne noch einmal am Frühstückstisch durch. Gelegentlich stellt man dabei fest, dass das, was man in der vergangenen Nacht noch überzeugend fand, doch ein wenig dünn aussieht.
Kakao:
Aus den aufbereiteten Früchten des Kakaobaumes und Milch zubereitetes Lieblingsgetränk von Daniel. Könnte er den ganzen Tag trinken. Vor allem aber zum Frühstück. Manchmal kippt er ihn um, wie alle Zweieinhalbjährigen. Ist eigentlich nicht weiter schlimm. Wir haben
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