Schief gewickelt (German Edition)
wie ich herumlaufe? Und genau das denken sich wahrscheinlich die unzähligen anderen Schlimme-Shorts-Träger auch und genießen Tag für Tag, wie ihr Beinhaar vom zarten Sommerwind gestreichelt wird. Hallo, Kollegen, jetzt hab ichs auch kapiert. Ich bin jetzt einer von euch.
»Papa! Da, Eis!«
Was für ein Adlerauge. Wir sind noch fast einen halben Kilometer von der Eisdiele weg.
»Okay, Daniel. Das wird uns sicher guttun.«
Es kann noch so sehr Hochsommer sein, wochentags vormittags gibts fast nie eine Schlange vor der Eisdiele. Abgesehen davon haben wir sowieso Zeit ohne Ende. Einziger Pflichtprogrammpunkt heute Vormittag: zu Andi in die Brunnenstraße spazieren und den orangen Helm zurückgeben, der vor mir im praktischen Kinderwageneinkaufsnetz hängt und gegen meine Knie schlägt.
Vor uns ist ein anderer Papa mit seiner Tochter, die gerade strahlend ihre Eistüte in Empfang nimmt. Ach nein, sah nur von weitem so aus. In Wirklichkeit heult sie und weigert sich, die Eistüte in Empfang zu nehmen.
»Aber was hast du denn? Das ist eine Kugel Erdbeer und eine Kugel Heidelbeer. Genau, wie du es dem Mann gesagt hast.«
»Buhuu, aber das ist nicht Heidelbeer.«
»Doch, guck. Hier ist der große Heidelbeereistopf, okay? Und da ist deine Heidelbeereiskugel. Jetzt halt das mal ganz nah an die Scheibe. Und jetzt vergleichen wir mal. Hat genau die gleiche Farbe und auch die dunklen Tupfer, oder? Also, alles okay.«
»Buhuu, aber ich wollte die Heidelbeerkugel oben, buhuu!«
»Ach so. Na gut, dann ess ich das Eis. Könnten wir dann bitte noch mal das Gleiche haben, nur mit Heidelbeer oben? … Danke. Guck mal, Charlotta, hier ist dein Eis. Mit Heidelbeer oben.«
»Buhuu, aber ich will Streusel draufhaben.«
»Ist ja gut. Wusste ich nicht. Wolltest du doch sonst nicht. Also, könnten wir bitte noch Streusel …? Danke. So, hier, Charlotta, jetzt lass es dir schmecken.«
»Aber ich wollte die Streusel aus dem anderen Glas, buhuu.«
»Charlotta, in dem Glas sind genau die gleichen Streusel wie in dem anderen. Komm, ich heb dich hoch, dann kannst dus sehen.«
Kaum ist sie oben, knallt Charlotta ihr Eis so heftig auf die frisch geputzte Glasplatte, dass die Waffel splittert.
»Aber ich will ein neues Eis mit Streuseln aus dem anderen, buhuu!«
Der Papa kreuzt seinen Blick mit meinem. Wir brauchen nicht zu sprechen. Wir verstehen uns blind. Sein Blick sagt: »Ich weiß, ich könnt ihr jetzt auch einfach eine scheuern, aber irgendwie kannste das heute nicht mehr bringen, oder?« Und mein Blick sagt: »Nee, haste recht. Kannste irgendwie heute nicht mehr bringen. Machste schon richtig. Halt durch.«
Daniel guckt ehrfürchtig von unten hoch zur heulenden Charlotta. Sein Blick sagt: »Bisher dachte ich immer, ich wäre der Beste. Aber das Mädel hat Sachen drauf, Jungejunge, ob ich da jemals heranreiche?«
Fünf Minuten später heult Charlotta immer noch, aber ihr Vater schiebt sie jetzt einfach entschlossen nach draußen. Wir sind dran. Daniel will das gleiche Eis wie immer und versucht gar nicht erst, Charlottas Show zu überbieten. Schlauer Kerl.
Wir schlendern mit Charlotta und ihrem Papa zum Hirschhofspielplatz. Meine Hoffnungen auf ein angeregtes Parkbankgespräch von Papa zu Papa zerschlagen sich aber, denn Charlotta und Daniel bauen natürlich nicht brav gemeinsam unter unseren Augen Sandburgen. Nein, Daniel bevorzugt es, in der einen Ecke des Spielplatzes auf eine halbkaputte, zwei Meter hohe Mauer zu steigen, während sich Charlotta in der gegenüberliegenden Ecke mit der Kette der Kinderschaukel zu erwürgen versucht. Bis zur Mittagessenszeit habe ich mit dem netten anderen Papa gerade mal drei Sätze gewechselt. Aber wer weiß, vielleicht trotzdem der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Jetzt müssen wir aber hurtig zu Andi. Daniel hängt schon ein bisschen in den Seilen, weil jetzt eigentlich das Mittagessen und das anschließende Schläfchen dran sind. Ich muss gut aufpassen. In dieser Phase neigt er zur Hysterie. Dann reicht ihm der kleinste Anlass, um komplett auszurasten. Und dann brüllt er durch, bis er entweder im Bett liegt oder am Mittagstisch sitzt. Wenn es sein muss, auch eine ganze Stunde und mehr.
Dieses Spazierengehen geht mir heute ohnehin ganz schön auf den Sack. Da schweifen die Gedanken umher und landen natürlich immer wieder bei heute Morgen.
Kein Backup.
Ich will ein Unternehmen gründen, mache aber keine Backups von meinen Dateien. Vollidiot. Die schlimmen Shorts sind
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