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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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einen hübschen Hut gesteckt war. Vielleicht hätte Mum nichts dagegen, wenn sie für ein paar Tage die Unterkunft wechselte. Diese Dame sah lustig aus, und sie hatte ihr die Möglichkeit verschafft, zu sehen, dass ihre Mum in Sicherheit war. Sie lehnte sich im Bus zurück und schaute aus dem Fenster, von Erregung und Neugier gepackt. Das feste Band um ihre Brust tat jetzt nicht so weh. Sie konnte wieder atmen, und zum ersten Mal seit Wochen bekam sie das Gefühl, dass alles besser werden könnte. Vielleicht hatte St. Chad sie doch erhört.

64
    New York, 1920
    Niemand im Wohnblock war erfreut über die neuen Prohibitionsgesetze, am wenigsten Salvi und Angelo Bartolini, die Wein für Monate gebunkert hatten, bevor das Verbot in Kraft trat. »Wein gehört zu unserer Lebensart, wie der Whiskey für die Iren. Ich verstehe es einfach nicht«, stöhnte Salvi, und Angelo stimmte ihm zu.
    »Wie sollen wir denn Taufen feiern, Hochzeiten oder einen Leichenschmaus, ohne etwas Belebendes? Wer will denn schon Tee oder Obstsaft?«
    Sie wussten, dass sich bereits Banden gebildet hatten, die Whiskey aus Kanada importierten und heimlich Schnaps über die Großen Seen verschifften, Rum in den Häfen versteckten, getarnt in allem, was Alkohol vertrug. Jetzt suchte jeder Schlupflöcher, von Wärmflaschen bis hin zu Benzinkanistern und Flachmännern, in denen sie ihren Schnaps lagerten. Das Gesetz verbot nicht, das Zeug zu trinken, nur den öffentlichen Verkauf, und den würde man umgehen.
    »Wir machen ihn selbst«, schlug Orlando vor. Salvis Sohn mangelte es nie an tollen Ideen. Er hatte in Blöcke gepresste, wie Backsteine aussehende Traubenpulpe eingekauft. Sie mussten lediglich Zucker und Wasser beifügen und das Ganze gären lassen, dann hätten sie selbst anständigen Wein.
    »Noch besser, wir stellen einen Destillierapparat her, so wie früher, feiner Grappa vom Fass«, fügte Angelo hinzu.
    »Nur über meine Leiche!«, rief Kathleen. »Ich lasse keinen Fusel in meinem Haus zu. Das letzte Mal, als mein Onkel ihn hergestellt hat, sprengte er die Fenster des Bauernhauses und tötete eine Kuh.«
    Doch Salvi und Angelo ließen sich nicht davon abhalten, bauten Schläuche und Gläser so auf, dass alles leicht abzubauen war, falls die Gesetzeshüter anklopfen sollten, und sorgten für die nötige Hitze. Jedes Teil hatte sein eigenes Versteck.
    Orlando schlug vor, sie sollten sicherstellen, dass der Polizist für ihren Bezirk seinen Anteil bekäme, sowie ein paar Dollar zusätzlich, damit er ein Auge zudrückte. Das lief in der ganzen Stadt so. Der Keller ihres Obstladens war der perfekte Platz. Dort mussten alte Fässer gesäubert werden, Eimer, jede Menge Raum zum Selbstbrauen.
    »Wir fangen einfach an: Obstschalen, Pulpe, gewinnen Saft daraus und schicken ihn durch die Schläuche«, ordnete Angelo an. Als Junge hatte er seiner Familie oft dabei zugesehen. Er gab den Sirup zu den Traubenblöcken und schob sie in die Fässer, damit sie vergoren, in der Hoffnung, das Wunder, Wasser in Wein zu verwandeln, würde wie in der Bibel funktionieren.
    Die Ergebnisse des Experiments mit dem Grappa waren ermutigend, und Orlando hatte die großartige Idee, Wassermelonen auszukratzen und die Schalen mit dem Gebräu zu füllen, um es zu verkaufen, die Melonen oben mit Wachs zu versiegeln, damit die Kunden ihre Früchte reinen Gewissens hinaustragen konnten. Das Gerücht, es lohne sich, die Wassermelonen der Bartolinis zu probieren, verbreitete sich so weit, dass eines Tages ein Mann mit schwarzem Filzhut hereinmarschierte, eine Waffe zog und Salvi bedrohte. »Du bezahlst sofort, oder wir geben den Cops einen Hinweis darauf, was du tust. Niemand etabliert sich ohne unsere Erlaubnis,
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    »Die Bande weiß also über den Fusel Bescheid, nicht aber über den Wein. Davon weiß niemand etwas«, murmelte Angelo, stolz auf sein Unternehmen.
    »Du kannst diese Typen nicht austricksen. Die haben hier überall ein dichtes Schutzgeldnetz gewoben. Wie sollen wir denn deiner Meinung nach im Geschäft bleiben? Zahlen wir, bleiben wir. Weigern wir uns, werden wir zu Asche.«
    Das war ungerecht, aber an der Lower Eastside gang und gäbe. Niemand atmete, ohne dass die Rizzi-Bande davon wusste. Sie waren die »Familie«, verbunden mit noch größeren »Familien«.
    Die Bartolinis waren kleine Fische, leicht loszuwerden, falls sie aus der Reihe tanzten. Aber das Ganze beruhte auf Leistung und Gegenleistung. Sie würden anständigen Alkohol liefern, keinen

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