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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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glitt. Sie spürte nicht einmal die kalte Luft, während sie mit klopfendem Herzen sah, wie Männer ins Wasser sprangen und versuchten zu schwimmen.
    »Wir müssen hier weg, bevor uns der Sog mit hinunterzieht«, schrie eine Frau und drückte ihren Pekinesen an die Brust. »Wir wollen doch nicht, dass sie ins Boot kriechen und uns zum Kentern bringen.«
    »Aber wir müssen Menschen retten! Das Boot ist nicht voll«, beharrte Celeste. »Wir haben jede Menge Platz. Wir können nicht einfach wegrudern und sie im Stich lassen.«
    »Ich lasse nicht zu, dass Leute vom Zwischendeck neben mir sitzen«, fuhr die Frau fort. »Man weiß ja nie, was man sich da einfängt.«
    Celeste konnte kaum glauben, was sie da hörte. Diese Frau hatte am Morgen in derselben Reihe wie sie gesessen und mit ihr gemeinsam von einem Blatt abgelesen. Sie hatten »Eternal Father, strong to save« gesungen.
    »Hören Sie nicht auf den Unsinn«, schrie Celeste. »Wir müssen diesen armen Seelen helfen.«
    Doch die Männer ruderten mit entschlossenen Mienen weiter vom Schiff fort.
    Der Lärm der im Wasser strampelnden Passagiere, die Schreie, das Dröhnen zischender Maschinen wurde noch lauter. Trümmerstücke hüpften ringsum auf den Wellen, zerstörte Liegestühle, Gepäckstücke, Holzplanken, die sich von den Decks losgerissen hatten, grausame Andenken an das, was dieses Schiff einmal gewesen war, und versperrten allen, die durch das Wasser auf sie zu schwammen, den Weg in die Sicherheit.
    »So halten Sie doch ein! Bitte, im Namen der Barmherzigkeit, kehren Sie um. Wir müssen auf sie warten. Wenn es nun Ihre Frau, Ihr Kind oder Ihr Mann wären? Würden Sie sie dem Tod anheimgeben?«, schrie Celeste in der Hoffnung, die Matrosen zu beschämen.
    Die Männer hoben einer nach dem anderen die Ruder, und das Rettungsboot trieb allmählich auf das sinkende Schiff zu. Erleichtert senkte Celeste den Kopf. Vielleicht bestand jetzt die Chance, mehr Leben zu retten.

11
    May erstarrte in Panik, als sie die Möglichkeiten abwog, die ihnen blieben. Das Meer kroch langsam immer näher, ein Deck nach dem anderen verschwand, und in ihren Ohren hallten die Schreie der verzweifelten Passagiere, die sich bemühten, in Sicherheit zu gelangen. Andere knieten, beteten, hielten sich an den Händen und warteten darauf, durch ein Wunder gerettet zu werden, das nie eintreten würde.
    »Wir müssen springen, Schatz.« Joe ergriff ihre Hand.
    »Ich kann nicht!« Sie zitterte vor Todesangst, aber Joe war unnachgiebig.
    »Spring! Ellen zuliebe. Sie hat eine Chance verdient. Halte meine Hand fest, und wir springen zusammen. Nur Gott kann uns jetzt noch retten«, redete er ihr gut zu. Das Wasser schwappte noch näher.
    »Aber ich kann nicht schwimmen.«
    »Doch, du kannst. Die Rettungsweste wird dich an der Oberfläche halten. Du musst es versuchen.«
    »Ich kann nicht.«
    »Zusammen können wir es. Wir sind nicht bis hierher gekommen, um wie die Ratten zu sterben.«
    Seine Worte brachten sie zur Weißglut. »Sterben?« Wer hatte etwas von sterben gesagt? So würden sie ihr Leben nicht beenden, in den weiten Ozean geworfen. Sie sah, was mit denen passiert war, die zuerst gesprungen waren. Das Wasser war voll mit Rettungswesten, in denen kein Leben mehr war. Aber Joe hatte recht: sie mussten springen. So oder so würden sie im Meer landen.
    »Halte meine Hand fest, und viel Glück, aber wenn das Glück nicht auf unserer Seite ist, sehe ich dich im Paradies wieder. Niemand wird uns dort trennen.«
    Wie aus dem Nichts erhob sich eine Woge, spülte über sie hinweg und schleuderte sie vom Schiff. Das kalte Wasser traf May wie eisige Pfeile und nahm ihr den Atem, während sie prustend an die Oberfläche kam und in der Dunkelheit nach Joe suchte.
    Sie wollte schreien und schlug wild um sich, um über Wasser zu bleiben. Die Rettungsweste hielt sie wie durch ein Wunder oben. Das Dröhnen des steigenden Wassers an ihren Trommelfellen ertränkte alle zusammenhängenden Laute. Ihre Arme waren wie nutzlose Propeller, und das Gewicht ihrer Kleidung behinderte ihre Gliedmaßen, während sie sich platschend vom Schiff entfernte. Sie musste Joe und Ellen im Auge behalten, aber es war so dunkel, und ihr war so kalt.
    Wie in Zeitlupe glaubte sie einen Umriss zu erkennen, einen Kopf, aber so viele Menschen waren im Wasser, einige verzweifelt um sich schlagend, andere, die mit dem Gesicht nach unten schwammen, wie Treibgut. Plötzlich, von wilder Panik gepackt, versuchte May die Beine zu bewegen,

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