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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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doch sie waren schwer wie Blei, ihre Schwimmstöße brachten sie nicht vorwärts, das eiskalte Wasser hielt sie in seinen eisernen Zwingen fest. Sie rang nach Luft und wippte auf dem Wasser, hielt verzweifelt nach Joe Ausschau. Er trieb immer weiter weg von ihr. Unter Einsatz aller Kräfte paddelte sie wie eine Maschine weiter. Die Kälte, die sie umgab, war grausam, unmenschlich. Sie erhaschte erneut einen Blick auf Joes auf und ab hüpfenden Kopf und die kleine Ellen, die wie ein Bündel aus Lumpen auf der Oberfläche abdriftete. Hektisch versuchte May, sie einzuholen. Ellen glitt außer Reichweite, und auf einmal war Joes Kopf verschwunden. Nein! Das durfte nicht passieren! Sie musste ihr Kind erreichen. »Ich komme!«, versuchte sie zu schreien, doch ihr Mund füllte sich mit Salzwasser, erstickte ihre Schreie und nahm ihr den Atem. Minute um Minute paddelte sie weiter. Schleichend überkam sie ein Gefühl der Apathie, der Mutlosigkeit. Mit jedem Atemzug schwand ihre Entschlossenheit, ihre Bewegungen wurden schwächer. Die Kälte griff nach ihr.
    Nur Dunkelheit und Tod gab es noch, leere Gesichter, deren Augen zu den grausamen Sternen emporstarrten. Sie kam nicht an ihnen vorbei, sie konnte Joe nicht finden, sie konnte Ellen nicht finden.
    »Nimm mich jetzt zu dir, Herr, zieh mich hinab«, betete sie. Wozu lohnte es sich noch zu leben, wenn sie schon ohne sie gegangen waren? »Ich komme! Ich komme!« Ihre Stimme wurde leiser, doch die Rettungsweste hielt sie fest im Griff, während sie immer weiter von der Stelle wegtrieb, an der sie ihre Familie zuletzt gesehen hatte. Ihre Finger wurden völlig taub, zu kalt, um sich an dem Treibgut festzuhalten; Rettungswesten trieben vorüber, nutzlos, und der Eishauch des Wassers presste allmählich das Leben aus ihr heraus. Ihr wurde schwarz vor Augen, und ihre Stimme war nur noch ein Flüstern, als sie sich dem Meer überließ.

12
    Das Rettungsboot manövrierte tief in das Treibgut hinein, und das Licht einer Laterne durchdrang die Dunkelheit auf der Suche nach weiteren Überlebenden.
    »Da drüben ist eine! Ihre Lippen bewegen sich. Sie ist nur ein schmächtiges Ding.« Der Matrose zog den treibenden Körper mit einem Bootshaken näher heran, und ein weiteres Besatzungsmitglied half ihm, ihn ins Boot zu ziehen.
    Celeste vergaß die Kälte und ging hinüber, um der tropfnassen jungen Frau beizustehen und wieder Leben in ihre erstarrten Glieder zu reiben. Die Gerettete schlug kurz die Augen auf, versuchte den Kopf zu schütteln und protestierte leise.
    »Nein, nein … Kind ist im Wasser … Sucht nach ihnen! Joe … Lasst mich los!« Celeste breitete rasch eine Decke über sie. »Nein«, flüsterte die junge Frau. »Will zurück … meine Kleine … Lasst mich los … Joe, wir kommen.« Sie versuchte sich aufzurichten, ihre Hand war starr, ihre verkrampften Finger unfähig zu zeigen.
    »Legt sie auf den Boden zu der Toten. Seht doch, in welchem Zustand sie ist. Die macht es nicht mehr lange.«
    »Nein, ich werde mich ihrer annehmen«, beharrte Celeste. »Sie hat ein kleines Kind im Wasser. Um Himmels willen, bleibt hier und sucht danach.«
    »Bringt die verdammte Frau doch zum Schweigen!«, ertönte eine Stimme unter einem Schal.
    »Wir kommen nie fort von hier, wenn wir weiterhin Straßenkinder aufnehmen! Sie werden uns alle zum Kentern bringen!«, geiferte die Frau mit dem Hund von neuem.
    »Halten Sie den Mund, Sie selbstsüchtiges Miststück! Sie wollen eine Christin sein? Seien Sie nicht so grausam«, fuhr Celeste sie derart selbstbewusst und heftig an, dass sie selbst überrascht war. »Diese arme Seele hat alles verloren, und Sie sitzen hier mit Ihrem Schoßhund. Wir müssen zurück und noch mehr Leute finden.«
    »Verzeihung, Ma’am, weiter können wir nicht heran. Sehen Sie doch!« Der Matrose deutete auf den massigen, immer ungeheuerlicher in den Himmel ragenden Schiffsbug, der wie eine albtraumhafte Vision im Wasser versank. »Das Schiff wird gleich untergehen, und wir dürfen nicht von seinem Sog erfasst werden. Wie es dem Mädchen gelungen ist, zu überleben, wundert mich, aber genug ist genug. Ich kann das Leben der anderen hier im Boot nicht riskieren. Rudert weiter!«
    Die junge Frau zitterte und weinte, als Celeste noch eine Decke um sie wickelte. »Rühren Sie sich jetzt nicht … Bewahren Sie Haltung, seien Sie britisch, seien Sie tapfer, Sie sind hier in Sicherheit.« Die Wärme einer menschlichen Berührung war alles, was sie in der Dunkelheit bieten

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