Schiff der tausend Träume
Fuhrpark mit Trucks auf. Sie hatten bereits ein ganzes Team an Fahrern und ließen Frachtgüter über die Bundesgrenzen transportieren, über Tausende von Meilen. Er hatte eine Marktlücke gefunden und für sich genutzt.
Entgegen den Befürchtungen seines Vaters verdiente er bereits gutes Geld, und trotzdem klang er unzufrieden. Celeste spürte seinen Kummer darüber, wie sich sein Leben entwickelt hatte. Dass er nach England zurückkehren wolle, erwähnte er mit keiner Silbe, und sie fragte auch nicht mehr danach. Warum sollte er auch zurückkommen? Aber es war immer noch schwer, seine Abwesenheit zu ertragen.
So sehr sie Ella auch wie eine Tochter liebte, würde Roddy dennoch immer den ersten Platz in ihrem Herzen einnehmen, ihr einziger Sohn. Sie hatte in diesem Haus genug Familie um sich versammelt, aber es war nicht mehr wie früher. Sie dachte an vergangene Weihnachtsfeste, als May und Roddy und ihr Vater noch dabei gewesen waren. Das Leben schien damals so unkompliziert, mit all den Geistlichen, die sie eingeladen hatten, mit Chorproben und abendlichen Chorälen, der Vorbereitung der Geschenke, den Geheimnissen vor der Bescherung für die Kinder – es waren glückliche Erinnerungen an diese festliche Zeit.
Celeste seufzte lächelnd. Ihr wurde bewusst, dass all diese Erinnerungen auf Lügen aufgebaut gewesen waren, ihren eigenen und denen von May, die ihr Geheimnis bewahrt hatte. Sie waren damals ebenso wenig eine richtige Familie gewesen wie jetzt.
Was täte sie nur, wenn es Archie nicht gäbe? Durch ihn hatte sich ihr ganzes Leben verändert. Er hatte Selwyn geholfen, seinen Schmerz über den Verlust von May zu überwinden, seine Trinkerei einzuschränken und seine Karriere weiter voranzutreiben. Auch über seine Kriegserlebnisse konnten die beiden sprechen, und Selwyn kam immer besser damit zurecht. In dieser Angelegenheit hatte Archie einen ganz anderen Zugang zu Selwyn als Celeste, denn sie verstanden einander als Soldaten, die Dinge erlebt hatten, die man sich als Außenstehende nur vage vorstellen konnte. Es war wie ein Geheimbund, zu dem Zivilisten keinen Zugang hatten, so wie sie und May das schreckliche Erlebnis in jener grässlichen Aprilnacht auf dem Meer geteilt hatten.
Und wie viel er ihr inzwischen bedeutete! Celeste wusste nun, welches Glück eine wirklich liebevolle, leidenschaftliche Beziehung schenken konnte. Seit sie miteinander das Bett teilten, eröffnete ihr Archie eine Sinnenlust, die sie sich in ihrer Ehe mit Grover nicht einmal hatte vorstellen können. Und seine beständige, ruhige Liebe gab ihr den Mut, sich tatsächlich auf ihn zu verlassen. Sie musste nicht mehr allein ihren Weg erkämpfen.
Eines Morgens, als sie unterwegs war, um die letzten Besorgungen für Weihnachten zu erledigen, machte Celeste einen kleinen Umweg über die Museum Gardens, da sie dachte, es würde May gefallen, wenn sie Captain Smiths Denkmal besuchte.
Der Captain sah vernachlässigt aus, beschmutzt von Vogelkot und fast vollständig von Unkraut überwuchert. Es war ein erbärmlicher Anblick. Sie dachte daran, wie stolz er an Deck seines Schiffes herumgegangen war und mit wachsamen Augen seine Besatzung und die Passagiere beobachtet hatte. Was für ein trauriges Ende seine Karriere gefunden hatte!
Sie blickte in sein kantiges Gesicht, und auf einmal fing sie an, mit ihm zu reden, als könnte er sie hören. »Was soll ich nur mit dem Kind machen, das Sie gerettet haben? Wer ist dieses Mädchen, und wo haben Sie es gefunden? Wie sage ich das, was gesagt werden muss, ohne sie in schreckliche Verwirrung zu stürzen? Ach, wenn Sie doch nur sprechen und mir erzählen könnten, was Sie damals gesehen haben!«
Allein sein Anblick brachte unzählige Erinnerungen an diese furchtbare Nacht zurück. Sie fröstelte und kam sich dumm dabei vor, im kalten Wind zu stehen und mit einem Stein zu sprechen.
»Ich tue das für meine Freundin May«, fuhr sie dennoch fort. »Wir nannten uns die ›Schwestern der
Titanic
‹ – durch ihren Untergang für immer verbunden.« Ihr fiel auf, dass der Name des Schiffs auf der Plakette nicht vermerkt war. Es war ein Name, an den sich niemand erinnern wollte, und er war ein Kapitän, den trotz seiner vielen treuen Dienstjahre niemand ehren wollte. Vielleicht war es ihre Pflicht, mit etwas Wasser und einer Bürste dafür zu sorgen, dass er wieder ansehnlicher würde.
Dann fiel ihr Blick auf den Namen des Bildhauers, K. Scott, der dieses Monument geschaffen hatte.
Sie erinnerte
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