Schiff der tausend Träume
Abreise nach New York am Flughafen verabschiedeten, war er mit den Gedanken bereits woanders. Celeste nahm ihn fest in die Arme und unterdrückte ihre Tränen, da sie wusste, dass sie ihre Gefühle für sich behalten musste. Sie hätte ihm so viel sagen können, darüber, dass »die Liebe zum Geld die Wurzel allen Übels« und ein falscher Herr war. Aber dies war nicht die richtige Zeit, um ihm als Mutter Predigten zu halten. Sie musste ihn seinen eigenen Weg gehen, seine eigenen Fehler machen lassen. Aber falls er sie brauchen sollte, war sie eine halbe Welt entfernt, und es bedeutete, dass ein baldiges Wiedersehen sehr unwahrscheinlich war.
»Ich wünschte, ihr würdet bleiben«, sagte er, obwohl auch er wusste, dass es unmöglich war. »Bitte grüßt alle zu Hause von mir.«
Aber »alle zu Hause« waren ihm Fremde geworden: Ella, Selwyn, Mrs Allen, genau wie Lichfield selbst. Celeste lächelte und nickte. »Das werde ich«, erwiderte sie in bester Imitation seines amerikanischen Akzents.
Doch ihr Herz zog sich vor Schmerz zusammen. Warum nur muss es immer so sein, fragte sie sich. Und sie gab sich selbst die Antwort: Weil ich von hier wegging, um einer schrecklichen Ehe zu entfliehen, und Roddy hat den Preis dafür bezahlt. Er wurde zwischen uns beiden hin und her gerissen. Er hat seine Wahl getroffen, also sieh nicht mehr zurück. Es wird ihm gutgehen, und ich werde zurechtkommen … so wie immer. So müssen meine Eltern sich gefühlt haben, als ich von zu Hause fortging. Es ist nie einfach loszulassen, aber ich muss es tun … und es besteht immer die Chance, dass er eines Tages zurückkehrt. Aber den Zeitpunkt wird er bestimmen, nicht ich.
100
New York, 1935
Der Gottesdienst schien ewig zu dauern, während ein Ordinand nach dem anderen sich vor den Bischöfen in ihren goldfarbenen Roben aufstellte. Angelo musste schmunzeln; die Zeremonie war von einer Theatralik, die nicht einmal durch die Tanzvorstellungen der kleinen Patti überboten werden konnte. Die Musik, der Gesang, die Orgel, der Weihrauch und all der Pomp und Glanz an diesem wichtigen Tag war wie die Präsentation einer ganzen Sammlung von Gemälden, der reinste Augenschmaus.
Er und Kathleen standen zwischen den anderen stolzen Eltern: Frauen, herausgeputzt mit Spitzenschleiern, und Männer in ihren besten Sonntagsanzügen. Wie kam es nur, dass alle seine Kinder gern im Mittelpunkt irgendeines dramatischen Ereignisses standen, fragte er sich. Warum konnten sie nicht ganz gewöhnliche Kinder sein wie die Jungen von Salvi, verheiratet und mit Kindern, die ihnen zwischen den Beinen herumflitzen? Frank dagegen weihte sein Leben der Kirche, vor dem Altar liegend, die Arme kreuzförmig zur Seite gestreckt, in völliger Unterwerfung. Einen Augenblick lang überfiel Angelo große Angst um seinen Sohn und, wenn er ehrlich war, auch Trauer. Frank würde niemals Frau und Kinder haben. So wie Amerika ihn seiner italienischen Familie weggenommen hatte, so nahm die Kirche nun ihm seinen Sohn, und er wünschte sich verzweifelt zu verstehen, warum dieses Opfer so wichtig war. Während Kathleen vor Stolz fast platzte, fühlte er sich nur beraubt.
Neben ihm stand Patricia, mit fünfzehn bereits eine Schönheit. Ihr Leben war eine Abfolge von Vortanzterminen, Unterrichtsstunden, Auftritten in der hintersten Reihe irgendeiner Off-Broadway-Show, während sie auf den großen Durchbruch wartete. Auch sie verfolgte unbeirrt ihr ehrgeiziges Ziel. Angelo fürchtete, sie könnte irgendwann bitter enttäuscht werden.
Dann war da Jacko, der ihnen ständig Sorgen machte, ständig Probleme hatte, ständig Besserung gelobte, und dem dann ständig vergeben wurde. Immer wieder musste er vor Gericht, in eine Besserungsanstalt oder ins Gefängnis, und seine Eltern wussten nie, wo er als Nächstes landen würde.
Kinder machten einem dauernd Sorgen. Was, wenn Patti in schlechte Gesellschaft geriet? Was, wenn Jacko zu weit ging? Zumindest war Frankie in den Armen der Kirche nun sicher.
Und dann war da diese Sache mit Italien. Mussolini hatte Abessinien annektiert und sich mit Hitler verbündet. Angelo hatte genug von den Veränderungen in seiner alten Heimat gesehen, um sich ernsthaft Sorgen zu machen. Er erinnerte sich an das, was Marias Vater über die Schwarzhemden gesagt hatte, die durch die Straßen marschierten. Man wurde irgendwann gezwungen, sich zu entscheiden und Stellung zu beziehen. Was dann?
Er hatte nicht vorgehabt, seine Kinder aufwachsen und dann im Krieg
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