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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Kunstschule in den Grundtechniken der Steinmetzarbeit und Bildhauerei zu unterrichten. Damit bestritt sie ihren Lebensunterhalt, und sie brauchte sich nur an den Lehrplan zu halten: Umgang mit den grundlegenden Werkzeugen, Beurteilung der Steine und das Herausarbeiten und Kopieren von Grundmotiven. Sie verbrachte ihre Zeit mit der Kontrolle und Verbesserung von Fehlern, während sie die Wanduhr beobachtete und auf den Unterrichtsschluss wartete, um wieder nach Hause fahren zu können. Sie zählte die Tage bis zu den Trimesterferien und freute sich immer darauf, mehr Zeit mit Clare zu verbringen.
    Es war schon einige Monate her, seit Anthony als vermisst gemeldet wurde, und inzwischen waren seine persönlichen Sachen geschickt worden, sauber in einer Kiste verpackt.
    Alles roch nach seinen Players-Zigaretten: die Fotos in Silberrahmen mit seinen Fingerabdrücken, wo er sie berührt hatte, seine Bücher, Socken, Rasierzeug. Was für eine erbärmliche Sammlung von Dingen, um ein Leben zu definieren. Sie brachte es immer noch nicht übers Herz, die zwei Briefe zu öffnen, die er hinterlassen hatte: einen für Clare und einen für sie.
    Immer wieder kamen Beileidsbekundungen von Eltern seiner Freunde und alten Lehrern, Briefe, die sie gewissenhaft beantwortete.
    Am schwersten war die Antwort auf den Brief von Captain Smiths Tochter, Mel Russell-Cooke, deren Sohn Simon bei einer ähnlichen Übung wie Anthonys ins Meer gestürzt war. Wie tapfer, stoisch und gefasst sie war, zu akzeptieren, dass es nur wenig Hoffnung auf Rettung gegeben hatte, wenn man im Winter ins eisige Meer abstürzt!
    Den besten Trost findet man, und ich bin sicher, auch Sie, in ständiger Beschäftigung. Ich fahre Rettungsfahrzeuge in London, arbeite wie besessen im Garten und helfe im Dorf, aber Sie wissen sicher selbst genau, wie man mit solch einem Verlust fertig wird, meine Liebe.
    Nein, ich werde nicht damit fertig, dachte Ella seufzend. Ich schiebe es nur beiseite und tue so, als wäre es nie geschehen, als könnte mein Mann jede Sekunde durch die Tür treten, und all das hier wäre nur ein Albtraum. Sie ging auf und ab und versuchte, sich nicht über die unzulänglichen Arbeiten ihrer Studenten aufzuregen. Arbeit, Arbeit, Arbeit, genau das war die Antwort. Zumindest war Roddy in Sicherheit, auch wenn er irgendwo in Italien in einem Kriegsgefangenenlager gelandet war. Sie hatten zwei Postkarten von ihm erhalten und über das Rote Kreuz so viele Trostpakete geschickt, wie sie konnten.
    Wann war dieser schreckliche Krieg nur endlich vorbei? Hatten sie nicht alle genug gelitten? Die Alliierten waren in der Normandie gelandet, in Italien, in Südfrankreich, aber die blutigen Kämpfe dauerten immer noch an. Würde Clare je ein anderes Leben kennenlernen? Ella fühlte sich tief im Innern so verbittert, verängstigt und frustriert, dass die Farbe aus ihrer Welt verschwunden war. Das Glück, geliebt und geschätzt zu werden, war vorüber. Es war so unfair. Wie sollte sie nur jemals wieder die Frau werden, die sie einst gewesen war?
    Archie war aus Portsmouth zu Celeste zurückgekehrt. Selwyn machte auf seine eigene Art weiter und trank mehr, als gut für ihn war. Hazel zählte die Tage, bis ihr Mann aus dem Fernen Osten zurückkehren würde. Ella war neidisch auf sie alle.
    Sie erschrak, als sie sich im Schrankspiegel sah. Sie gefiel sich selbst nicht besonders. Resigniert stellte sie fest, dass die Trauer sie hatte altern lassen, mit dunklen Ringen unter den Augen und tiefen Falten auf der Stirn. Die ersten grauen Haare durchzogen ihre wilde dunkle Mähne, die sie für gewöhnlich zu einem strengen Knoten band. Warum auch nicht? Es gab niemanden, für den sie sich hübsch machen konnte, und Clare war es egal, wie sie aussah. Sie hatte aufgehört, Captain Smith in den Museum Gardens zu besuchen. Schließlich war er auch nichts weiter als ein Klumpen Bronze. Wie dumm, einer Statue all seine Hoffnungen und Träume anzuvertrauen, wie ihre Mutter es getan hatte!
    Oh, Mum, dachte sie, jetzt weiß ich, wie du dich gefühlt haben musst, als du Joe und Ellen verlorst. Du hast beide verloren. Ich habe immer noch mein Kind, aber es ist trotzdem schwer. Ich glaube, ich verstehe nun, warum du damals so gehandelt hast.
    Tot blieb tot. Niemand kam davon zurück. Sie ging nicht mit Celeste zum Gottesdienst. Sie war noch zu wütend, um zu beten. Nein, die Person, die sie aus dem Spiegel anstarrte, mochte sie wirklich nicht besonders. Sie kam sich vor, als wäre sie die

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