Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
Vom Netzwerk:
wenig.
    »Seltsam, dass wir beide mit der
Titanic
verbunden sind«, sagte Frank. »Meine Mutter ist Irin und hat bei dem Unglück ihre Schwester, meine Tante Lou, verloren. Meine Eltern lernten sich beim Trauergottesdienst in einer Kirche kennen.«
    »Meine Mom verließ ihren Ehemann und ging mit mir nach England. Sie sagte, es sei der Anblick dieses großen untergehenden Schiffes gewesen, der sie veranlasste, sich den Tatsachen zu stellen und wegzugehen. Ich weiß, Ihre Kirche hält nichts von Scheidung, aber mein Vater war gewalttätig.«
    »Ja, die Kirche spricht sich grundsätzlich gegen Scheidung aus, aber persönlich weiß ich auch nicht, ob ich es ertrüge, wenn meine Mutter ihr Leben mit einem Schläger verbringen müsste. Es war schlimm genug, mit dem Bild der ersten Familie meines Vaters zu leben. Es hing wie eine kostbare Ikone an der Wand. Jahrelang dachte ich, wir Kinder seien nur zweite Wahl gewesen. Wie soll man mit einem toten Baby konkurrieren?«
    »Sind Sie aus diesem Grund Priester geworden?«, erkundigte sich Roddy und hob fragend die Augenbrauen. Die Frage war ein wenig indiskret, aber er war neugierig.
    »Wer weiß? Könnte sein. Ich wollte nie etwas anderes werden. Meine Schwester floh auf die Bühnen am Broadway; Patti ist nur Gruppentänzerin, aber sie hat wirklich Talent. Jack dagegen … tja, das ist eine andere Geschichte. Wir sind so verschieden wie Tag und Nacht. Ich schätze, einer von uns beiden musste der Gute sein. Nach dem, was ich zuletzt gehört habe, steckt er jetzt irgendwo im Pazifik.«
    Es war eigenartig, wie er hier im Lager bereit war, derart private Dinge mitzuteilen, die er nicht einmal seinen Gemeindemitgliedern erzählt hatte. Roddy war ein Kriegskamerad, jemand, mit dem er sich identifizieren konnte, ein Außenstehender, der noch Energie ausstrahlte und entschlossen war, zu überleben.
    »Ich muss hier raus, bevor sie uns weiter nach Norden verlegen. Ich will zu meinen Männern zurück. Kraft zum Kämpfen habe ich noch. Ich schätze, wenn ich Richtung Süden gehe, kann ich es schaffen«, sagte der Captain eines Abends nach der Chorprobe zu ihm.
    »Da wäre ich skeptisch«, antwortete Frank. »Die Einheimischen hier haben vielleicht noch nicht alle begriffen, dass sie jetzt auf unserer Seite sind. Und Sie sehen zu amerikanisch aus, um als Italiener durchzugehen … Obwohl es gut für die Moral hier wäre, wenn einer es schaffen würde.«
    Aber vielleicht gab es doch eine Chance, dass jemand ihnen half, ein sicheres Versteck für Roddys Flucht zu finden und Frank einen Besuch bei seiner Familie zu ermöglichen, und sei es nur für ein oder zwei Stunden. Natürlich konnte er selbst nicht flüchten. Er wollte seiner Aufgabe als Priester im Lager treu bleiben. Aber so nah zu sein und dennoch so fern … Es musste doch möglich sein, seine Abwesenheit für ein oder zwei Stunden zu verbergen. Er würde jemanden bestechen und viel beten müssen, um Roddy mitzunehmen, aber es war nicht unmöglich, wenn man auf Hilfe von außen zählte. Es wäre einen Versuch wert. Aber so lange er noch nichts Genaueres wusste, galt es zu schweigen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken.

114
    Ellas Schüler waren am heutigen Novembermorgen sehr unaufmerksam, keiner von ihnen konnte sich auf das konzentrieren, was sie ihnen zeigen wollte. Das Einzige, worüber sie sprechen wollten, war die große Explosion in den Midlands vor zwei Tagen, bei der rundherum Fensterscheiben zersplittert waren, so dass die Menschen Angst vor einem Raketenangriff bekommen hatten. Jemand sagte, ein Waffenlager sei beschossen worden, andere meinten, es sei eine ganze Stadt zerstört worden. In Lichfield hatte alles gezittert wie bei einem Erdbeben, aber in den Nachrichten wurde nichts erwähnt.
    Ella blickte zum Oberlicht der Werkstatt, durch das die Helligkeit in den Raum strömte. Es war seltsam, dass sie sich hier nicht mehr wohl fühlte, auch in ihrer eigenen Werkstatt nicht, dabei waren beide Orte immer eine Zuflucht gewesen, Schutzräume der Kreativität. Ihre Werkstatt am Red House konnte man kaum noch als solche bezeichnen, es war nur noch ein leerer, zugiger und zerfallender Schuppen. Ihre halbfertigen Arbeiten standen noch anklagend herum, aber sie sah sie nicht an. Es war kein Platz mehr, an dem sie sich gern aufhielt, und dass durch die kürzliche Erschütterung so viele Dinge umgefallen und zerbrochen waren, entsprach nur umso mehr ihren Gefühlen.
    Hier war ihre richtige Arbeit: junge Studenten der

Weitere Kostenlose Bücher