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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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also wirklich …«
    Lachend stürmte Florrie davon, und May war übel. So weit zu Ruhe und Frieden. Tratsch in der Belegschaft des Kollegs war das Letzte, was sie brauchte.
Verflucht, Florrie, dass du Dinge aufgewühlt hast, gerade als ich zur Ruhe kam
. Zum Glück hatte Ella den Zwischenfall verschlafen. Sollten sie doch denken, was sie wollten, sie würden von ihr nichts mehr erfahren. Vielleicht war es an der Zeit, sich eine andere Stelle zu suchen. Warum konnten die sie nicht in Frieden lassen? Sie musste einer lästigen Wichtigtuerin wie Florrie nicht Rede und Antwort stehen, aber in Zukunft musste sie besser auf der Hut sein. Sie verkehrte zwar nicht viel mit anderen, aber mit ihren vielen Stellen und der Kleinen blieb ihr keine Zeit, und sie fühlte sich so erschöpft; nachts schlief sie noch immer schlecht.
    Ihre einzige Freundin lebte jenseits des Meeres, und selbst die verhielt sich eigenartig. War es eine richtige Freundschaft, wenn man sich nie traf, bis auf das eine Mal unter solch außergewöhnlichen Umständen? Dennoch war diese Verbindung tröstlich und kraftspendend, ihre Briefe boten eine Möglichkeit, ihre Gefühle auszupacken und ihre Meinung zu sagen. Eine Frau wie Celeste würde nicht weiterhin schreiben, wenn sie es nicht wollte.
    Hätte sie doch nur den Mut, ihr die Wahrheit über Ella zu sagen. Vielleicht könnte sie dann schlafen. Doch das hinzunehmen, war für jede Freundin zu viel. Ich bin eine Lügnerin und eine Diebin und eine Heuchlerin, seufzte sie, aber damals erschien es richtig, was ich getan habe.
    Ihr ging es einzig und allein um Ellas Wohlergehen. Sie sparte jeden Penny, damit die Kleine das Beste hatte, was sie sich leisten konnte: gute Schuhe, Tanzstunden, eine richtige Schulbildung. Wenn es so weit war, würde Ella ihren Platz nicht ganz unten oder ganz oben einnehmen, sondern in der Mitte, mit Chancen und Gelegenheiten im Leben. Wenn andere sie für reserviert hielten, dann war es eben so. Ella war mehr wert als sie alle zusammen.
    Sie stellte sich vor, Kapitän Smith habe ihr das Vertrauen entgegengebracht, dass sie sich die größte Mühe geben würde, dem Kind ein anständiges Leben zu ermöglichen. Nicht in einem Waisenhaus, in dem sie selbst und Joe gewesen waren, sondern mit der Freiheit, einen eigenen Weg einzuschlagen. May hatte sich auf das Lernen in der Schule gestürzt, selbst als sie halbtags als Lehrling in der Spinnerei gearbeitet hatte. Sie las gern ein gutes Buch. Sie interessierte sich für die Kathedrale und deren Geschichte und lauschte gern der Orgelmusik und den Chorknaben, wenn sie sangen. Eigentlich gefiel ihr diese alte Stadt so langsam, auch wenn sie flach und nicht von Hügeln umgeben war, ganz anders als das Hochmoor von Edgeworth.
    Wäre sie etwas höher auf der sozialen Leiter zur Welt gekommen, wäre sie vielleicht wie Celeste gewesen und hätte sich für das Wahlrecht der Frauen begeistert. Vielleicht sollte sie guten Willen zeigen und der Gilde beitreten. Sie könnte ein paar gute Ratschläge bekommen und sich außerhalb ihrer Arbeit mit jemandem anfreunden. Aber Freunde stellten Fragen und stocherten im Leben der anderen herum. In der Distanz lag Sicherheit. Am besten, sie hielt sich an Bestehendem fest und beschwor keinen Ärger herauf.
    Ella war das Wichtigste. Sie musste vorankommen und ihre Chancen haben, damit der Diebstahl ihrer wahren Identität zu rechtfertigen war. Erst wenn das passierte, würde May Frieden finden.

39
    Er war gekommen, der Tag, vor dem Angelo sich fürchtete. Er stand früh auf, um zur Arbeit zu gehen, warf einen traurigen Blick auf den kleinen Schrein in der Ecke mit dem Schuh und dem Foto. Er teilte sich ein Zimmer mit Salvis Jungen. Sie bestanden darauf, dass er bei ihnen wohnte, jetzt, da er seine Wohnung verloren hatte, nachdem Beschwerden beim Vermieter eingegangen waren und er mit der Miete im Rückstand war.
    »Kein Bartolini schläft auf der Straße, solange ich lebe. Mein Bruder würde mich umbringen«, sagte sein Onkel. »Aber du suchst dir eine Stelle und arbeitest dich aus eigener Kraft hoch, sonst setzt es was.«
    Allmählich war Angelo so ausgenüchtert, dass er wieder an einer Arbeitsstelle festhalten konnte. Es war ein kühler, klarer Frühlingsmorgen, er saß hoch oben auf einem Dach in Manhattan, schaute auf die Silhouette der Stadt, über die Wolkenkratzer hinweg zu den Brücken und dem Fluss, der in den Hafen mündete, und dachte an die schreckliche Nacht vor einem Jahr. Wie hatte er nur einen

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