Schiff der tausend Träume
Aufrichtigkeit geleistet.
Grover hatte ihr eine neue Welt geschenkt, ein bequemes Leben und einen wunderbaren Sohn. Zum Tausch wofür? Für die widerliche Demütigung, die sie gerade über sich hatte ergehen lassen? Wie stimmten diese Schläge mit der Liebe in der Ehe überein; dass zwei im Fleische eins werden sollten? Ihr wurde schwindelig vor Verwirrung.
Liebe war das Einzige, was zählte – nicht Wohlstand oder Ansehen, Liebe – und davon war auf beiden Seiten nicht mehr viel übrig. Sie enttäuschte ihn, und er widerte sie an. Das musste ein Ende haben, und zwar bald.
Am Morgen tauchte ein Strauß cremefarbener und roter Rosen ohne Kommentar vor ihrem Schlafzimmer auf. War das eine Entschuldigung oder eine Warnung? Wie auch immer, sie war in diesem goldenen Käfig gefangen, bis sie sich befreien konnte.
41
Angelo schritt auf dem Bürgersteig im Schnee auf und ab und wartete darauf, dass der Wäscheladen zumachte. Er traute sich nicht hineinzugehen, bei all den Frauensachen, die im Fenster hingen. Seit über sechs Monaten ging er nun mit Kathleen O’Leary aus. Zunächst hatte er sie seinen Verwandten gegenüber nicht erwähnt, aber nun wollte er sie mit zum Abendessen nehmen und Onkel Salvi und Tante Anna vorstellen.
Manchmal überkam ihn das Gefühl, es sei noch zu früh, sich mit einer anderen Frau zu treffen. Er versuchte zu erklären, dass Maria immer seine Frau sein würde und er nur Freundschaft suche.
Kathleen hatte ihn mit ihren grünen Augen durchbohrt. »Und was bringt dich auf die Idee, ich wäre auf etwas anderes aus?«, entgegnete sie. »Wenn und falls ich heirate, dann wird es einer meinesgleichen sein, der nur irisches Süßholz raspelt.« Das war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen, bis er das Zwinkern in ihren Augen sah.
Iren und Italiener mochten zwar Seite an Seite wohnen und arbeiten, doch die Iren waren länger hier, hatten ihre eigenen Sitten, Feste und ihre Sprache. Selbst ihre katholischen Andachten waren eindringlicher.
Angelos Familie betrachtete die Freundschaft zunächst mit Argusaugen, schlug dann allerdings vor, er solle Kathleen doch einmal mitbringen, damit man sie inspizieren könne. Er hatte nicht gewagt, sie der Inquisition auszusetzen, bevor er sicher war, dass sie die Richtige für ihn war. Kathleen war ein Stadtmädchen, eine Verkäuferin, die mit einer Familie aus Dublin in einem Wohnheim lebte. Sie war Dienstmädchen gewesen und in die Vereinigten Staaten gekommen, um ein neues Leben zu beginnen. Sie war ebenso stolz wie hübsch, und sie nahm kein Blatt vor den Mund, wenn sie ihre anfängliche Schüchternheit erst einmal überwunden hatte. Angelo fühlte sich froh und entspannt in ihrer Gegenwart, und die Art, wie sie ihr rotes Haar schüttelte und wie ihre grünen Augen blitzten, ließen sein Herz höher schlagen. Ja, er begehrte sie, und dieses Gefühl war immer stärker geworden.
Sie hatten sich treiben lassen, hatten in Cafés gesessen, waren im Park spazieren gegangen und hatten den Filmpalast besucht. Es wurde Zeit zu klären, worauf sie eigentlich hinauswollten. Sie gingen kaum einmal Hand in Hand, und Angelo war verwirrt.
Er zog seine Jacke fester um sich, denn der Abend war kühl. Sie verspätete sich. Hatte sie ihn versetzt?
Dann war sie da, huschte aus der Tür, die Hand an ihrer grünen Tellermütze, ihre zerzausten Haare umspielten ihr Gesicht wie immer. Sie trug eine lange Jacke, einen Humpelrock und gepflegte Stiefel, ganz das elegante Stadtmädchen.
»Wo geht’s denn heute Abend hin? Es ist zu kalt, um draußen herumzustromern«, sagte sie, hakte sich bei ihm unter und verlieh ihm das Gefühl, drei Meter groß zu sein.
»Würde es dir gefallen, wenn wir zum Abendessen zu meinem Onkel und meiner Tante gingen? Sie würden meine Auserkorene gern kennenlernen«, platzte es aus ihm heraus, und ein Blick in ihr Gesicht sagte ihm, dass sein Englisch nicht richtig gewesen war.
Kathleen schaute ihn an. »Ist das deine Art, einen Heiratsantrag zu stellen? Hast du es beim ersten Mal auch so gemacht?«
Angelo schüttelte verwirrt den Kopf. »Wir waren in Italien. Da gibt es Gebräuche, Besprechungen, Abmachungen, verstehst du?«
»Nein. Ich bin Irin, und wenn ein Mann eine Frau um ihre Hand bittet, kniet er nieder und macht viel Aufhebens darum. Ich bin nicht die Zweitbeste. Schönen Abend!« Sie drehte sich um, schlug die entgegengesetzte Richtung ein, darum bemüht, auf dem vereisten Bürgersteig nicht auszurutschen.
»
Per favore, Katerina
, was
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