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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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zur Hand gehen, was sehr nett war. Ich werde darüber nachdenken. Ich bin mir nicht sicher, ob Selwyn zwei Frauen um sich haben will. An manchen Tagen ist er schlechtgelaunt.
    Ich hatte das Gefühl, einen Funken in mir entdeckt zu haben, den ich verloren zu haben glaubte, und vielleicht bin ich in der Stadt doch nicht so eine Außenseiterin.
    Wir wollen hoffen, dass 1919 uns allen Hoffnung und Erleichterung bringt.
    Ihre Freundin
    M

54
    New York, Sommer 1919
    Kathleen hielt ihre Wohnung an der Broome Street makellos sauber. Kein Staubkörnchen durfte sich niederlassen, selbst in diesem heißen Sommer nicht. Am Fenster waren dünnmaschige Netze befestigt, um Fliegen zu fangen, die es wagten, hineinfliegen zu wollen, aber im sechsten Stock des Gebäudes gab es nicht viele. Die Familie hatte eine Dreizimmerwohnung mit fließendem Wasser, darunter ein Wohnzimmer und eine Stube mit einem Kastenbett für die beiden Kleinen, Jack und Frankie. Jetzt war ein drittes Kind unterwegs. Sie betete, es möge ein Mädchen werden.
    Vor beinahe zwei Jahren war Angelo zu ihnen zurückgekehrt. Er klagte über Rückenschmerzen, und sie half im Obstladen aus, so gut sie konnte. Kathleen zeigte, dass sie keine Versagerin war, sondern eine Schwerarbeiterin, die bereit war, hinter der Theke zu bedienen und sich um ihre immer größer werdende Schar von Winzlingen zu kümmern.
    Sie hatte Angelo geheiratet, nicht Salvis Italiener-Sippe mit ihren dunklen Augen und wirren Haaren, die sich ständig in der Wolle hatten. Gemeinsam hatte sich das Paar von einem auf drei Zimmer hochgearbeitet, doch der Gedanke, noch ein Maul füttern zu müssen, war entmutigend. Manchmal fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, nach der Krankheit in New York zu bleiben. Ihre eigene Familie in Irland flehte sie an, doch wieder nach Hause zu kommen, aber wozu? Um auf dem Bauernhof ihres Onkels Kartoffeln aufzulesen oder sich als Magd auf einem englischen Anwesen zu verdingen? Und auch in der Heimat gab es Probleme.
    Hier war Leben und Hoffnung, und jetzt hatte sie diese drei liebreizenden kleinen Kinder. Ihre ertrunkene Schwester würde ihr dieses neue Leben nicht missgönnen. Ihr Kummer war jedoch, dass Angelo noch immer eigenartigen Theorien über seine Frau und sein Kind nachhing. Er sprach nie über Maria und Alessia, deren kleines Bild an der Nischenwand in ihrem Schlafzimmer hing, hoch über dem Regal an die Wand genagelt, auf dem ein kleiner, selbstgemachter Altar stand, verziert mit Zeitungsausschnitten, Kerzen, Briefen und dem Litzenschuh des Kindes. Angelo war noch immer davon überzeugt, dass er seiner Tochter gehörte. Immer wenn sich der Jahrestag näherte, auch nach sieben Jahren noch, wurde er still und betete an diesem Altar, zündete sogar eine Kerze an, als wären sie allgegenwärtige Geister, die neben dem Bett über sie wachten. Wenn sie etwas dagegen einwandte, ging er fort, ohne auf ihre Tränen zu achten.
    »Du musst sie in Frieden ruhen lassen, Angelo«, sagte sie. »
Wir
sind jetzt deine Familie. Der kleine Jackie, Frankie, das sind deine Erben. Ich kann es nicht ertragen, wenn ich sehe, wie du sie anstarrst und keinen Blick für uns hast … Liebst du uns nicht?« Blanke Wut überkam sie, wenn er ihr den Rücken zukehrte.
    »Lass einen Mann in Ruhe beten, Frau!«
    »Das ist nicht gesund«, beichtete sie eines Tages Pater Bernardo. »Er verehrt sie, als wären sie noch am Leben. Was soll ich tun? Ich komme nicht gegen den Geist einer schönen Ehefrau und Mutter an, die nie alt oder krank oder dick wird, die nicht die Geduld verliert, wenn die Kinder ein Chaos anrichten.«
    »Wo Chaos ist, da ist Leben, Kathleen. Vergiss nie, das ist ein Zeichen, dass ihr lebt, euch verändert und wachst, so wie sie es nie tun werden. Im Grunde seines Herzens weiß Angelo, dass sie nicht mehr existieren, aber er gibt sich noch immer die Schuld für ihren Tod. Ein ›hätte ich doch nur‹ ist teuflisch schwer loszuwerden.«
    »Aber das Schühchen, es quält ihn. Er glaubt, ich weiß nicht, dass er alle Litzengeschäfte mit italienischer Importware und Besätzen durchsucht, falls ihm jemand sagen kann, ob der Schuh aus seiner Gegend stammt. Er ist davon überzeugt. Ich habe dann das Gefühl, als wären wir ihm nicht genug.«
    »Gib ihm Zeit, Kathleen. Die Zeit wird seinen Schmerz lindern.«
    »Aber es ist jetzt sieben Jahre her, Pater.« Kathleen schob sich die roten, immer noch wilden Haare aus dem Gesicht. »Ich will nicht, dass die Sachen mich jeden Tag

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