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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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manchen Stellen konnten sie durch das klare Wasser erkennen, wo früher Häuser gestanden hatten – ihr Betonfundament zeichnete sich in der Tiefe ab.
    » Schau mal, da«, sagte Pima und deutete hinab. » Das muss wirklich groß gewesen sein.«
    » Wenn sie so reich waren«, fragte Nailer, » warum haben sie dann dort gebaut, wo sie jeden Moment ertrinken konnten?«
    » Wenn ich das wüsste. Wahrscheinlich sind reiche Leute genauso dumm wie alle andern auch!« Pima blickte auf die Bucht hinaus. » Allerdings nicht so dumm wie diejenigen, die die Zähne errichtet haben.«
    Das Wasser über den Zähnen kräuselte sich in der leichten Brise. Ein paar schwarze Streben und geborstenes Mauerwerk ragten aus den Wellen. Unter der Oberfläche lauerten riesenhafte Türme aus Backstein und Stahl. Die Leute, die die Zähne gebaut hatten, hatten den Anstieg des Meeresspiegels maßlos unterschätzt – nur bei Ebbe war überhaupt etwas von ihnen zu sehen. Ansonsten waren diese Ruinen unter den Wassermassen verborgen.
    » Hast du dich jemals gefragt, ob es da unten nicht vielleicht etwas zu holen gibt?«, fragte Nailer.
    » Eigentlich nicht. Das Zeug, an das man leicht rankommt, ist schon lange weg.«
    » Ja, aber trotzdem – irgendwelches Eisen oder Stahl ist doch bestimmt noch übrig. Sachen, die damals noch nicht so selten waren.«
    » Niemand kann rostigen Stahl gebrauchen, solange wir noch die Tanker ausschlachten können.«
    » Da hast du wohl recht.« Trotzdem ärgerte es ihn, wenn er daran dachte, was für Reichtümer unter den Wellen verborgen sein mochten.
    Sie wateten um die Ruinen der reichen Leute herum und setzten ihren Weg über die Landzunge fort, bis sie die grün überwucherte Insel vor sich sahen. Das letzte Stück führte über flachen Sand, der nur bei Ebbe zum Vorschein kam, und darauf lief es sich wieder leichter.
    Auf der Insel angekommen, kletterten sie zwischen Bäumen, Kudzuranken und Büschen einen Hang hinauf. Obwohl Nailers Schulter schmerzte, kamen sie rasch voran. Als sie den Hügelkamm erreichten, lag das blaue Meer vor ihnen. Es wirkte fast so, als wären sie mitten auf dem Ozean, so weit waren sie von der Küste entfernt. Ein frischer Wind wehte über das Wasser, und Nailer konnte sich vorstellen, wie es wäre, tatsächlich auf einem Hochseeschiff zu sein, das auf den Horizont zuraste. Er starrte zur Erdkrümmung hinaus, zur anderen Seite der Erde hinüber.
    » Wenn man da nur irgendwie hinkäme«, murmelte Pima.
    » Yeah.«
    Weiter würde er nie auf das Meer hinaus kommen. Wenn er zu lange darüber nachdachte, schmerzte es ihn geradezu. Manche Menschen hatten eben Glück und segelten auf Klippern,
    Nailer riss seinen Blick vom Horizont los und ließ ihn über die Bucht schweifen. Dort drüben konnte er die Zähne unter der Wasseroberfläche schimmern sehen. Manchmal liefen Schiffe auf ihnen auf, wenn der Steuermann mit der Küste hier nicht vertraut war. Er hatte einmal gesehen, wie sich ein Fischerboot an den alten Streben verhakte und unterging. Ein paar Schiffsbrecher waren zu dem Wrack hinuntergetaucht, um zu bergen, was sich wiederverwenden ließ. Je nach Wasserstand konnten die Zähne richtig bissig sein.
    » Komm jetzt«, sagte Pima. » Wir möchten hier draußen nicht von der Flut überrascht werden.«
    Nailer folgte ihr, und sie stiegen langsam den Hang hinunter, wobei Pima ihm über die schwierigen Stellen hinweghelfen musste.
    » Hat dein Vater sich schon wieder betrunken?«, fragte Pima plötzlich.
    Nailer dachte an den Vormittag zurück und an die gute Laune seines Vaters. An den klaren Blick und das unverkrampfte Lachen, mit dem er den Tag angepackt hatte. Aber er war auch nervös und zappelig gewesen, wie immer, wenn er keinen Vorrat an Crystal Slide oder Red Ripper mehr hatte.
    » Vorerst wird er sich benehmen, sonst lässt Lucky Strike ihn nicht auf die Leute los. Wahrscheinlich fängt es erst heute Abend wieder an.«
    » Ich verstehe nicht, warum du ihm den Arsch gerettet hast«, sagte Pima. » Er verprügelt dich doch sowieso nur.«
    Nailer zuckte mit den Achseln. Das Unterholz auf der Insel war erstaunlich dicht, und er musste es beiseitedrücken, damit es ihm nicht ins Gesicht peitschte. » Das war nicht immer so. Vor all den Drogen, und bevor Mama gestorben ist, war er anders.«
    » So toll war er früher auch nicht. Er ist nur noch schlimmer geworden.«
    Nailer verzog das Gesicht. » Na ja, was soll ich sagen …« Wieder zuckte er hilflos mit den Achseln, zwischen

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