Schiffsdiebe
aus Silber und Jade, und ich beschenke sie mit Gold und Diamanten. Und all das gehört euch … wenn ihr mir helft, zu meinem Vater zu gelangen.«
» Vielleicht«, sagte Nailer. » Aber vielleicht hast du auch nur das Gold an deinen Fingern. Es würde uns Vieles erleichtern, wenn du tot wärst.«
Das Mädchen beugte sich vor und musterte sie kalt, ihr Gesicht vom Schein der Flammen erleuchtet. » Wenn ihr mir etwas tut, wird mein Vater hierherkommen und euch vom Angesicht der Erde tilgen und eure Eingeweide an die Hunde verfüttern.« Sie setzte sich wieder auf. » Ihr habt die Wahl: Helft mir und werdet reich, oder sterbt arm.«
» Scheiß drauf«, sagte Pima. » Bringen wir’s hinter uns und ersäufen sie.«
Für einen Moment wirkte das Mädchen verunsichert; es war kaum wahrnehmbar – hätte Nailer sie nicht so aufmerksam beobachtet, wäre ihm wohl entgangen, wie sich ihre Augen weiteten.
» Pass lieber auf, was du sagst«, erwiderte er. » Du bist allein hier. Niemand weiß, was mit dir passiert ist oder wo du steckst. Du könntest genauso gut irgendwo da draußen ersoffen sein. Vielleicht verschwindest du ja einfach, und der Wind und die Wellen erinnern sich nicht einmal daran, dass es dich gegeben hat.« Er grinste. » Deine vornehmen Diener sind weit weg.«
» Nein.« Das Mädchen legte sich die Decke um die Schultern wie einen Mantel und blickte auf den im Mondschein schimmernden Ozean hinaus. » Das GPS und der Notruf auf dem Schiff werden ihnen verraten, wo sie suchen müssen. Alles nur eine Frage der Zeit.« Sie lächelte. » Meine › Kolonne‹ wird bald hier auftauchen.«
» Aber im Moment hast du nur mich und Pima«, sagte Nailer. » Und du gehörst eindeutig nicht zu unserer Kolonne.« Er beugte sich vor. » Vielleicht werden deine Leute über uns herfallen, uns die Eingeweide ausreißen und die Finger abschneiden – aber das macht uns keine Angst!« Er betrachtete sie spöttisch und wies mit einer Handbewegung in Richtung Strand. » Hier stirbt dauernd irgendjemand. Jeden Tag. Vielleicht bin ich morgen schon tot. Vielleicht bin ich bereits vorgestern gestorben.« Er spuckte aus. » Mein Leben ist keinen Meter Kupfer wert.« Er sah sie eindringlich an. » Also ist dein Leben für uns nur dann mehr wert als das Gold an deinen Fingern, wenn es uns hilft, von hier abzuhauen. Andernfalls spielt es keine Rolle, wenn du tot bist.«
Kaum hatte er es ausgesprochen, wusste er, dass es stimmte. Er lebte in der Hölle. Der Strand und die Wracks waren die Hölle. Und woher dieses Mädchen auch kommen mochte, wer auch immer sie war, es war bestimmt besser als alles, was er kannte. Selbst Lucky Strike, zu dem alle aufschauten wie zu einem König, war ein Nichts im Vergleich mit dieser verwöhnten Göre. Fünfzig Leute, die ihr gehorchten. Lucky Strike konnte Raymond und Blue Eyes und Sammy Hu zusammentrommeln, und mehr brauchte er auch nicht, wenn er jemandem zeigen wollte, wo es langging. Und selbst Lucky Strike lächelte und duckte sich, wenn die großen Bosse von Lawson & Carlson in ihren Sonderzügen angerauscht kamen, um die Lage zu sondieren, bevor sie wieder dorthin zurückfuhren, wo die Bonzen lebten. Dieses Mädchen stammte von einem völlig anderen Planeten.
Und sie würde dorthin zurückkehren.
» Wenn du am Leben bleiben willst«, sagte er, » dann nimmst du uns mit, wenn du von hier verschwindest.«
Sie nickte bedächtig. » Das ist fair.«
» Sie lügt«, sagte Pima. » Sie will nur Zeit gewinnen, sonst nichts. Die gehört nicht zu uns. Sobald ihre Leute hier aufkreuzen, ist sie weg, und wir müssen zurück auf die Tanker.« Sie schaute zum Strand hinüber, wo die unsichtbaren Ozeanriesen auf Grund gelaufen waren. » Wenn wir Glück haben.«
» Stimmt das?« Nailer musterte das Mädchen nachdenklich – log sie, oder sagte sie die Wahrheit? » Wirst du uns im Stich lassen? Damit wir uns zusammen mit den anderen Schiffsbrechern abrackern müssen, während du es dir gut gehen lässt?«
» Ich lüge nicht«, sagte das Mädchen, ohne den Blick abzuwenden. Ihre Augen waren so unnachgiebig wie Obsidian.
Nailer zog sein Messer. » Dann wollen wir doch mal sehen.«
Er stand auf und ging um das Feuer herum. Sie wollte vor ihm zurückweichen, aber er packte sie am Handgelenk – so sehr sie sich wehrte, er war stärker. Pima packte sie an den Schultern, damit sie keine plötzliche Bewegung machte.
» Nur ein bisschen Blut, hörst du? Nur ein bisschen«, sagte sie. » Um auf Nummer sicher zu
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