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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Geschichte drin? Bunny schlurfte in die Küche, hatte den Pullover verkehrt herum an. Quoyle versuchte ihr durch Zeichen zu sagen, sie solle den Pullover umdrehen, rief die mißmutige Beethoven-Miene hervor.
    »Junger Mann«, dröhnte die beeindruckende Stimme, »während Sie herumtrödeln, brennt die Rome. Frachtschiff Rome, sechshundert Fuß lang, unter panamesischer Flagge, mit einer Ladung Zink- und Bleipulver, ist, schauen wir mal, ungefähr zwanzig Meilen draußen und steht mit Karacho in Flammen. Zwei Tote. Der Kapitän und ein Unbekannter. Der Rest der Crew mit dem Hubschrauber gerettet. Einundzwanzig Jungs aus Myanmar. Wissen Sie, wo Myanmar liegt?«
    »Nein.«
    »Genau dort, wo früher Burma war. Der Hubschrauber hat die meisten Besatzungsmitglieder ins Krankenhaus von Misky Bay gebracht. Verdacht auf Rauchvergiftung. Schiff wird ab-geschleppt. Bestimmungsort Killick-Claw. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Wissen Sie, wie ich zu ihr rauskomme?«
    »Wozu der Aufwand? Warten Sie, bis sie reingeschleppt wird. Kann nich’ lang dauern.«
    Doch um halb vier war das Schiff noch immer in der Meerenge. Quoyle rief wieder Diddy Shovel an.
    »Sollte um fünf da sein. Höre, sie haben Schwierigkeiten gehabt. Schlepptau ist gerissen, mußten ein neues anbringen. «
     
    Wavey kam die Stufen herunter, zog an den Ärmeln ihres selbstgeschneiderten Mantels, die Farbe wie Schneematsch. Sie stieg ein, blickte ihn an. Ein schwaches Lächeln. Sah weg.
    Ihrer beider Schweigen angenehm. Etwas wuchs. Aber was? Nicht Liebe, die schwärte und schmerzte. Nicht Liebe, die nur einmal kam.
    »Ich muß zum Hafen runter. Also können wir die Kinder abholen, und ich bringe dich und den kleinen Herold gleich zurück. Ich kann Bunny eine Stunde bei Beety absetzen oder sie mitnehmen. Sie schleppen ein Schiff rein, auf dem es gebrannt hat. Zwei Tote, einer davon der Kapitän. Die anderen im Krankenhaus. Sagt Diddy Shovel.«
    »Ich zittere, wenn ich bloß davon höre.« Und schauderte tatsächlich.
    Die Schule kam in Sicht. Bunny stand am Fuß der Treppe, ein Stück Papier in der Hand. Quoyle fürchtete die Dinge, die sie von der Schule nach Hause brachte, die sie ihm mit vorgestülpten Lippen zeigte: Nudelstückchen, zu einem Gesicht auf kariertes Papier geklebt, Pfeifenreiniger, zu Blumen verbogen, Wachsmalkreidehäuser mit quadratischen Fenstern, braune Bäume mit Brokkolikronen, wie man sie in Neufundland nie sah. Schulikonographie, dachte er.
    »So sollen wir es machen, sagt Miss Grandy.«
    »Aber Bunny, hast du schon mal einen braunen Baum gesehen? «
    »Marty malt ihre Bäume braun. Und ich auch.«
    Quoyle zu Wavey: »Billy sagt, ich soll mir den Winter über ein Boot bauen lassen. Er sagt, bei Alvin Yark.«
    Ein Nicken, als sie den Namen ihres Onkels hörte.
    »Er ist ein guter Bootsbauer«, sagte sie mit ihrer leisen Stimme. »Er macht dir bestimmt ein gutes.«
    »Ich dachte, ich fahr’ am Sonntag rüber«, sagte Quoyle.
    »Und frage ihn. Nehme die Mädchen mit. Willst du mit Herry mitkommen? Ist das ein guter Tag dafür?«
    »Der beste«, sagte sie. »Und ich hab’ Sachen, die ich Tante Evvie bringen wollte. Wir können bei ihnen essen. Tante Evvie, die ist ’ne Köchin!«
    Dann machten sich Quoyle und Bunny zum Hafen auf, aber die Rome war auf Anweisung der Reederei nach St. John’s geschleppt worden.
    »Normalerweise sagen sie mir Bescheid«, sagte Diddy Shovel. »Vor ein paar Jahren hätte ich ihnen die Ohren lang gezogen, aber was soll ich mich jetzt noch aufregen?«
     
    Am Sonntag war der Nebel so dicht wie Abfallbaumwolle, führte eine Kälte mit sich, die sich in die Knochen fraß. Die Kinder wie eine Reihe Hühner auf dem Rücksitz. Wavey ein wenig herausgeputzt, schwarze Schuhe, die auf der Boden-matte glänzten. Quoyles Augen brannten bei dem Versuch, den Dunst zu durchdringen. Die Cordhose schmerzhaft eng. Er gelobte zum tausendstenmal, abzunehmen. Die Häuser am Straßenrand waren verschwunden, das Meer nicht zu sehen. Eine Stunde für die zehn Meilen bis zur Abzweigung nach Nunny Bag Cove. Autos, die in die Gegenrichtung krochen, Nebelleuchten, so trüb wie schmutzige Untertassen.
    Nunny Bag Cove war eine Straßenschleife voller neuer Ranchhäuser. Sie konnten sie im Nebel kaum sehen.
    »Sie hatten vor sechs Jahren ein Feuer«, sagte Wavey. »Die Stadt brannte ab. Alle bauten sich mit dem Geld von der Versicherung neue Häuser. Ein paar Familien hatten keine Versicherung, so fünf oder sechs, glaube ich, aber die

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