Schiffsmeldungen
wär’s, sage ich zu Mrs. Mavis Bangs, was halten Sie von Hamms Schiffspolsterei? Könnte für Jachten sein, könnte für Tanker sein, könnte für alles sein, was schwimmt. Sie hielt den Namen für gut. Also rief ich bei Ausrüstern und Bootsreparaturwerften in St. John’s an, stellte mich als Agnis Hamm von Hamms Schiffspolsterei vor, und natürlich besteht Bedarf. Auf Anhieb einen großen Auftrag, ein Frachtschiff, die Rome, auf der es schlimm gebrannt hat. Die Brücke wurde zerstört, die Polsterung in der Offiziersmesse, dem Mannschaftsraum, alles von Rauch und Wasserschäden ruiniert. Arbeit für Monate. Also nehme ich Dawn und Mrs. Mavis Bangs mit nach St. John’s runter, und wir arbeiten, bis wir fertig sind. Sie wollen ein Kunstleder in kräftigem Burgund. Und eines in Königsblau, sehr edel. Leder ist nichts für jedermann. Es kann schimmlig werden. Dawn ist ganz aufgeregt, nach St. John’s zu kommen, Bunny, steck dir die Serviette in den Kragen, wenn du mit Ketchup herumspritzt. Du bist so ein Dreckspatz. «
»Dad«, sagte Bunny. »Ich kann was. Skipper Alfred hat’s mir gezeigt. Es heißt ›Die Sonne hinter Wolken‹.«
»Hmm«, sagte Quoyle und zog eine Dorschbacke durch die Tatarsoße in der Schale aus rostfreiem Stahl. »Aber Tante, wo wohnst du dann? Ein Hotel in St. John’s für ein paar Monate kostet ein Vermögen.«’
»Schau«, sagte Bunny und legte ein Stück Faden zusammen.
»Das ist das Gute daran«, sagte die Tante und kaute ihre Muscheln. »Die Firma hat zwei Wohnungen für solche Fälle. Mr. Malt – er ist der Kerl, mit dem ich zu tun habe – sagt, daß sie ziemlich oft Spezialisten auf bestimmten Gebieten ansetzen müssen, für Metallbeanspruchung, Schiffsschraubenpläne, Prüfer und ähnliches. Wir bekommen also eine der Firmen-wohnungen umsonst – hat mehrere Schlafzimmer. Gehört zu unserem Vertrag. Und wir haben Platz zum Arbeiten. Können das Polstererwerkzeug aufstellen. Dawns Bruder hilft uns, alles hinten in meinen Laster zu laden. Das Kunstleder lassen sie von irgendwoher kommen, New Jersey, glaub’ ich. Und spätestens Ende nächster Woche sind wir fort. Alles nur, weil ich den Namen geändert habe.«
»Klingt sehr verwegen, Tante.«
»Na, im Frühjahr bin ich wieder da. Wir können wieder in unser grünes Haus rausziehen, sobald die Straße offen ist. Wird durch das Warten um so schöner sein. Wenn ’s dir hier noch gefällt, meine ich. Oder willst du vielleicht nach New York zurückgehen?«
» Ich geh’ nicht zurück nach New York«, sagte Bunny. »Marty Buggit ist für immer meine Freundin. Aber wenn ich groß bin, gehe ich hin.«
Quoyle wollte auch nicht nach New York zurück. Wenn das Leben ein Lichtbogen war, der in Dunkelheit begann, in Dunkelheit endete, dann war der erste Teil seines Lebens normal verlaufen. Hier war es, als hätte er ein Polarisationsmikroskop gefunden, das alles, was man damit betrachtete, vertiefte und verstärkte. Dachte an sein dummes Ich in Mockingburg, das alles hingenommen hatte, was ihm zugestoßen war. Kein Wunder, daß die Liebe ihm durch Herz und Lungen geschossen war, innere Blutungen verursacht hatte.
»Dad«, sagte Bunny, den Tränen nahe. »Ich hab’s zweimal gemacht, und du hast nicht zugeschaut. Und die Tante auch nicht.«
»Ich hab’ zugeschaut«, sagte Sunshine. »Aber ich hab’ nichts gesehen.«
»Vielleicht brauchst du eine Brille«, sagte die Tante.
»Tut mir leid, Bunnylein. Zeig’s mir noch mal. Ich schau mit Adleraugen zu.«
»Ich auch«, sagte die Tante.
Das Kind spannte eine an den Enden zusammengebundene Schnur, legte sie sich in einander überlappenden Kreisen um die Finger, Daumen und Zeigefinger in den vier Eckschlingen.
»Jetzt paßt auf die Sonne auf«, sagte Bunny. »Die Sonne ist das Loch in der Mitte, der Rest sind die Wolken. Paßt auf, was passiert.«
Langsam zog sie die Schlingen zusammen, langsam wurde der Kreis in der Mitte kleiner und verschwand schließlich.
»Es ist ein Fadenspiel«, sagte Bunny. »Ich kenne noch eins. Skipper Alfred kennt mindestens hundert.«
»Das ist ja ganz erstaunlich«, sagte Quoyle. »Hat Skipper Alfred dir die Schnur gegeben?« Er nahm den glatten Faden, zählte sieben winzige, harte Knoten und zur Verbindung der Enden eine unbeholfene Überhand. »Hast du die Knoten gemacht? « Mit lockerer Stimme.
»Den hab’ ich gemacht.« Die Überhand. »Ich hab’ sie heut morgen im Auto gefunden, Dad, auf deiner Rückenlehne.«
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Manchmal paßt man
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